Süddeutsche Zeitung

Viertel-Stunde:Wie im Süden

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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Wer wüsste das besser als die Mieter der Ateliers im "Künstlerhof", einem Bestandteil der "Großsiedlung Neuhausen"

Von Sonja Niesmann

Efeu, rosa Blüten und anderes wild Rankendes verschlingen Fassaden, greifen gierig nach den Türstöcken. Kübelpflanzen, Vogeltrinkschalen, Plätscherbrunnen. So mediterran-lauschig, verwunschen, einlullend-gemächlich mutet das an hier, einen Steinwurf entfernt vom Getöse an Arnulfstraße und Friedenheimer Brücke, dass man leise lächeln muss beim Anblick einer Karl-Valentin-Postkarte in einem Fensterchen, die belehrt: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Dass hier nicht gefaulenzt wird, verrät aber nicht nur der Spruch, sondern auch die Adresse: "Zum Künstlerhof".

Der "Künstlerhof" ist Bestandteil der "Großsiedlung Neuhausen", einer der Gründersiedlungen der städtischen Wohnungsgesellschaft Gewofag. Die vom Architekten Hans Döllgast geplante, 1929 fertiggestellte Anlage umfasst 131 Wohnungen, dazu zehn Wohnateliers sowie drei separat zu mietende Arbeitsateliers im vierten Stock und sieben ebenerdige, großzügige Arbeitsateliers. Sechs weitere, zwischen einem großen Innenhof und der Karl-Schurz-Straße gelegen, kamen 1999 dazu. Ursprünglich waren die gut acht Meter hohen Räume für Bildhauer vorgesehen, heute hat dort neben Bildhauerinnen wie Elisabeth Segerer oder Alexandra Fromm auch die Malerin Ilka Mayer ein Domizil, oder der Uhrmachermeister Oliver Belik, bis 2014 SPD-Stadtrat, der hinter der grünen Tür von Atelier 4 mechanische Uhren repariert, restauriert oder anfertigt. Viele Skulpturen von Mario Dilitz entstanden hier, inzwischen reüssiert der Bildhauer auf Ausstellungen und Messen in Paris, Istanbul, London oder New York und ist ausgezogen. Häufigen Wechsel gibt es nicht; angesichts unbefristeter Verträge und einer Miete unter zehn Euro pro Quadratmeter sind die Ateliers heiß begehrt - zu haben auch nur mit Bestätigung vom Kulturreferat über "professionelle" künstlerische Tätigkeit.

Durch fast blinde Scheiben der hohen Sprossenfenster erhascht der Neugierige auf Zehenspitzen Ausschnitte des Schaffens: hier eine Gipsbüste, da eine kleine Figur aus Ton oder Metall, den Rand eines Gemäldes, Farbkübel, Pinsel. Gelegenheit, die Ateliers innen zu bestaunen, gibt es einmal im Jahr, bei den "Kultüren".

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Quelle:
SZ vom 15.07.2017
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