Süddeutsche Zeitung

Viertel-Stunde:Die Erinnerung schärfen

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An der Professor-Kurt-Huber-Straße in Gräfelfing ist Geschichte geschrieben worden. Doch kaum jemand nimmt das so richtig wahr. Das wollen Dieter Püschel und andere Initiatoren nun ändern

Von Annette Jäger

Die Kraft, die Leichtigkeit, die Beschwingtheit des Geistes, die Professor Kurt Huber auf dem Foto ausstrahlt, hat den Gräfelfinger Dieter Püschel in den Bann gezogen. Der Philosoph, Musikwissenschaftler und Volkskundler Huber ist überlebensgroß auf der Stele abgebildet, die zentral in Gräfelfing, gegenüber vom Bürgerhaus, am Eingang zu der nach ihm benannten Professor-Kurt-Huber-Straße steht und an sein Wirken erinnert. Täglich eilen die Gräfelfinger an ihr vorbei, zum Bahnhof und von dort zurück, kaum einer verweilt. Und kaum einer weiß, dass genau an diesem Ort Geschichte geschrieben wurde.

Das Foto hat Püschel animiert, sich intensiver mit Professor Huber, der seit 1938 in Gräfelfing gelebt hat, zu beschäftigen. Bekannt ist dessen Verbindung zur Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose während der NS-Diktatur. Huber verfasste das sechste Flugblatt der Gruppe, das in der Münchner Universität verteilt werden sollte. Die Initiatoren wurden an die Gestapo verraten, Kurt Huber wurde am 27. Februar 1943 in seinem Haus in Gräfelfing, in eben dieser Straße, die früher Ritter-von-Epp-Straße hieß, in den frühen Morgenstunden verhaftet und am 13. Juli 1943 in Stadelheim hingerichtet. Die Villa der Hubers, wenige Meter in die Straße hinein, auf der linken Seite, hat die Familie nach dem Krieg verkauft.

Huber stand nicht nur im Kreis der Weißen Rose im Widerstand zum Nationalsozialismus, sagt Püschel. Er sei auch in seinem Glauben als Vertreter des "denkenden Katholizismus" und von seiner Bildung her ein "Freiheitsliebender" gewesen. Antisemitismus, Rassismus und Völkerhass hatten bei ihm keinen Platz. Die Erinnerungsarbeit zu Kurt Huber ist in Gräfelfing ganz in die Hände des 1966 nach ihm benannten Kurt-Huber-Gymnasiums (KHG) gefallen. Püschel will ihn wieder mehr ins Bewusstsein aller Gräfelfinger holen. Gemeinsam mit Unterstützern setzt er sich dafür ein, dass Huber posthum die Ehrenbürgerschaft verliehen wird. Zum Gedenken an Hubers Geburtstag am 24. Oktober 1893 veranstalten die Initiatoren der Ehrenbürgerschaft am heutigen Samstag eine - aufgrund der Pandemie nichtöffentliche - Gedenkfeier bei der Stele, mitten in der Gemeinde. Schüler des Gymnasiums beteiligen sich, auch Gräfelfinger Pfarrer.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2020
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