Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Ratlos in Gräfelfing

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Jubel und Trauer: Die Ablehnung der Entlastungsstraße führt zu überraschten Reaktionen. Nur der Landrat hat einen Plan B

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Mit großer Überraschung haben Gräfelfinger Gemeinderäte und Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) am Dienstag auf die Ablehnung der Entlastungsstraße durch den Kreistag reagiert. Wegen einer Pattsituation war der Verwaltungsvorschlag - der Landkreis sollte die Straße als Baulastträger übernehmen - am Montag im Kreistag abgelehnt worden. Damit ist der Bau der Straße vorerst gescheitert. Landrat Christoph Göbel (CSU) habe sie persönlich angerufen und die "traurige Nachricht" überbracht, sagte Wüst. Einzig der Landrat selbst zeigte sich am Dienstag optimistisch: Er hat einen Plan B parat.

Mit diesem Abstimmungsergebnis hatte keiner in Gräfelfing gerechnet. In den vorberatenden Kreistagsausschüssen hatte die Straße stets eine Mehrheit gefunden. Die Entscheidung hinterlässt Ratlosigkeit bei der Bürgermeisterin. "Unser ganzes Verkehrskonzept steht in Frage", sagt sie. Sämtliche Verkehrsberuhigungsmaßnahmen innerhalb des Ortes würden am Bau der Entlastungsstraße hängen. Auch der Rückbau der Würmtalstraße, der an den Kreistagsbeschluss geknüpft war, kann vorerst nicht verwirklicht werden.

Es habe ihn schier "aus den Socken gehauen", als er vom Abstimmungsergebnis erfahren habe, sagte Peter Köstler, Zweiter Bürgermeister und CSU-Fraktionssprecher in Gräfelfing. "Es wurde ein guter Weg für Gräfelfing verlassen." Jetzt heiße es "in der Kommune wieder Stillstand", sagt Köstler. Für ihn steht ebenfalls das gerade erst in Auftrag gegebene Verkehrskonzept in Frage, für das am 8. Mai der Startschuss fallen soll. Es sei unter völlig anderen Voraussetzungen vergeben worden.

Freude dagegen macht sich bei denen breit, die schon immer gegen die Straße waren: Frauke Schwaiblmair, Kreisrätin und Gräfelfinger Gemeinderätin der Grünen, feiert die Abstimmung als Erfolg. Die Grünen hätten in Gräfelfing dem Grundsatzbeschluss zur Straße zwar zugestimmt. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Vorfeld - und nicht parallel wie dann entschieden wurde - ein Verkehrskonzept erstellt wird. Zudem drohten inzwischen neue Verkehrsströme aus Aubing und Freiham die Gräfelfinger zu belasten, sagt Schwaiblmair. Diese seien bei der Untersuchung zur Wirkung der Entlastungsstraße nicht berücksichtigt worden. "Wir passen die Infrastruktur dem Autoverkehr an. Das passt nicht zu den Bestrebungen, den C0₂-Ausstoß zu verringern."

Auch die Würmtaler SPD-Ortsvereine Gräfelfing, Planegg und Neuried reagierten freudig auf die Ablehnung der Straße. "Jetzt werden wir auch gemeinsam überlegen, wie ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept im Würmtal aussehen soll", wird Anette Kitzmann-Waterloo, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Gräfelfing-Lochham in einer gemeinsamen Erklärung der Würmtal-SPD-Ortsvereine zitiert.

Bürgermeisterin Uta Wüst zeigte sich über die Haltung der Gräfelfinger Kreisräte - dazu zählt neben Schwaiblmair auch Jörg Scholler (FDP), der auch Dritter Landrat ist - verärgert. Sie hätte erwartet, dass sie sich bei der Abstimmung im Kreistag des Landkreises an den demokratischen Mehrheitsbeschluss in ihrer Gemeinde gebunden fühlten.

Der Landrat hat unterdessen schon eine neue Idee parat, wie die Straße doch noch realisiert werden kann: Der Kreistag habe die Gräfelfinger Variante abgelehnt, einen Bogen von der Autobahn auf eine Gemeindestraße, den Lochhamer Schlag im Gewerbegebiet, zu spannen. Stattdessen will Göbel jetzt einen größeren Umgriff der Straße untersuchen lassen. Gemeinde und Landkreis sollen nach seinem Ermessen gemeinsam ein Konzept erarbeiten, wie die Entlastungsstraße direkt auf die Würmtalstraße münden könnte - und so gleichzeitig etwa die Germeringer Straße in Planegg entlasten würde. Darüber sei noch zu wenig diskutiert worden. "Ich traue mir zu, einen Vorschlag zu erarbeiten, bei dem eine Mehrheit im Kreistag mitgehen kann", sagt Göbel.

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SZ vom 27.03.2019
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