Süddeutsche Zeitung

Verbrechensserie:Polizei in NRW ermittelte bereits vor Monaten gegen Pfleger

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Von Thomas Schmidt, München

Hat der wegen Mordverdachts inhaftierte Grzegorz Stanislaw Wolsztajn noch weitere pflegebedürftige Menschen mit Insulin vergiftet? Und hätten die Behörden verhindern können, dass der 36-jährige Pole einen 87-jährigen Rentner aus Ottobrunn mutmaßlich zu Tode gespritzt und anschließend ausgeraubt hat?

In einer Stellungnahme hat die Duisburger Staatsanwaltschaft am Mittwochabend bestätigt, dass bei ihr bereits am 6. Juni 2017 eine Strafanzeige gegen den ungelernten Hilfspfleger eingegangen war. Einen Haftbefehl aber erließ sie nicht, dafür habe der Tatverdacht nicht ausgereicht. Wolsztajn konnte weiter ungestört als Pfleger arbeiten, bis er, so die Ermittlungen der Polizei, Anfang Februar den Rentner aus Ottobrunn aus Habgier ermordete.

Die Münchner Polizei sowie die Staatsanwaltschaft gehen von einer Serie von Straftaten aus. Der 36-Jährige arbeitete nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2012 regelmäßig als Pfleger in Deutschland. Mit einer bundesweiten Fahndung suchen die Münchner Behörden nun nach weiteren mutmaßlichen Opfern oder deren Angehörigen.

Nach der Veröffentlichung des Fotos sowie des Namens des derzeit in Stadelheim inhaftierten Tatverdächtigen gingen bislang 26 Hinweise aus der Bevölkerung ein. Bei acht von ihnen habe man ermitteln können, wo sich Wolsztajn aufhielt und bei wem er als Hilfspfleger tätig war.

Demnach arbeitete er jeweils für wenige Tage in Berlin, Hannover und Kitzingen, in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Forchheim, Tuttlingen, Traunstein sowie im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Ob die alten Menschen, um die er sich dort kümmern sollte, in dieser Zeit zu Schaden gekommen sind, ist laut Münchner Polizei noch unklar. Allerdings soll Wolsztajn einen älteren Menschen im Kreis Mainz-Bingen in Rheinland-Pfalz betreut haben, der einige Tage nach dem Verschwinden des Pflegers gestorben sei, gab die Mainzer Polizei am Mittwoch bekannt.

Inzwischen ist bekannt, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen bereits vor mehr als einem halben Jahr gegen den Hilfspfleger ermittelt hat, allerdings erfolglos. Der 36-jährige Tatverdächtige könnte für den Tod eines demenzkranken Rentners aus Mülheim an der Ruhr verantwortlich sein. Ende Mai 2017 wurde der alte Mann mit einer extremen Unterzuckerung in ein Krankenhaus gebracht, zwei Monate später starb er. Bereits vor dessen Tod erstattete die Tochter des Kranken bei der Polizei Anzeige gegen den Pfleger. Die Frau äußerte den Verdacht, der 36-Jährige könnte ihrem Vater falsche Medikamente verabreicht haben.

Der Verdacht der Tochter reichte aus Sicht der Staatsanwaltschaft jedoch nicht aus, um einen Haftbefehl gegen Wolsztajn zu erwirken. Obwohl sein mutmaßliches Opfer an Arthrose litt, sei es nicht ausgeschlossen gewesen, dass er sich die tödliche Dosis Insulin selbst gespritzt habe. Außerdem "war zu berücksichtigen, dass auch weitere Personen Zugang zu der Wohnung des Geschädigten hatten", rechtfertigt die Staatsanwaltschaft Duisburg ihre damalige Entscheidung. Schließlich stellte die Behörde das Verfahren gegen Wolsztajn "aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten" vorläufig ein. "Ob diese Verfahrensweise sachgerecht war, bedarf einer näheren Prüfung", sagte die Duisburger Staatsanwältin Anna Christiana Weiler am Mittwoch.

Wolsztajn arbeitete in all dieser Zeit offenbar unbehelligt weiter und betreute pflegebedürftige Menschen in ganz Deutschland. Bis er schließlich im Februar in Ottobrunn engagiert wurde und dort erneut ein alter Mann an einer Insulin-Dosis starb.

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SZ vom 08.03.2018
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