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Übergewicht:Münchens Kinder werden immer dicker

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Acht Jahre alt, 60 Kilo schwer: Das ist schon lange keine Seltenheit mehr. Schon bei der Einschulung sind fast zehn Prozent der Kinder übergewichtig. Doch Gewichtsprobleme sind auch eine Frage der sozialen Herkunft.

Agnes Fazekas

Ein Achtjähriger, der 60 Kilo wiegt, ist schon lange keine Seltenheit mehr. "Jedes siebte Kind ist zu dick", sagt Professor Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist am Haunerschen Kinderspital der Universität München. Die Zahl dicker Kinder sei in den vergangenen zwanzig Jahren stetig gestiegen: Inzwischen litten 15 Prozent an Übergewicht, sechs Prozent davon seien adipös, also fettsüchtig - ein bundesweiter Trend. Die Stadt München und die Region seien da keine Ausnahme, klagt Koletzko.

"Viele können die eigenen Füße nicht mehr anfassen." Entweder, weil ihr Bauch zu dick sei, oder, weil sie zu unbeweglich seien. Kinder, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen, hätten etwa doppelt so häufig Übergewicht, beruft sich Koletzko auf Studien. Aber auch die Veranlagung der Eltern spielt eine große Rolle. Wenn beide Elternteile übergewichtig sind, bringen die Kinder mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auch zu viel auf die Waage.

"Es wird immer schwieriger, Eltern und Kinder zu erreichen", sagt Hans-Jörg Klein, Geschäftsführer des Vereins Moby Dick, der Gesundheitsprogramme für übergewichtige Kinder erstellt. Obwohl der Bedarf steige, sinke das Interesse. Diese Erfahrung machen viele Ärzte. Es sei schwierig, sich dem Thema anzunähern, weil es mit "sehr starken Schuldgefühlen der Eltern" verbunden sei, sagt Gertie Rumitz, Leiterin der Gesundheitsakademie der Kreisklinik Starnberg.

Berechnet wird das Übergewicht von Kindern altersabhängig nach dem Body-Mass-Index - ein Grenzwert, der im Erwachsenenalter oft fatale Konsequenzen hat. So zeigt eine Langzeitstudie aus den USA, dass mit elf Jahren übergewichtige Menschen im Alter von 55 Jahren doppelt so häufig verstorben waren als Normalgewichtige. Übergewicht hat aber nicht nur ernste gesundheitliche Folgen, es nage bei Kindern auch am Selbstbewusstsein, erklärt Koletzko.

Die Entstehung von Übergewicht ist sehr komplex. Deshalb gibt es zu ihrer Bekämpfung auch keine einfachen Lösungen. Experten sagen, Vorbeugen sei die einzige sinnvolle Methode: Im Vorschulalter sind die Chancen, das Bewegungs- und Ernährungsmuster zu beeinflussen, besonders groß. Die in den ersten Lebensjahren erlernten Gewohnheiten bleiben oft ein Leben lang prägend.

Die Schuleingangsuntersuchungen in Bayern zeigen, dass bereits 8,8 Prozent der Vorschulkinder übergewichtig und 3,4 Prozent adipös sind. Mit Hilfe von Ernährungsexperten haben seit Januar nun bayernweit immerhin 26 Kindertagesstätten ihr Verpflegungsangebot verbessert, teilt Ernährungsminister Helmut Brunner zum Abschluss des Projekts in München mit. Allerdings sei es wichtig, dass auch die Eltern mitspielen.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2011
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