Süddeutsche Zeitung

U-Bahnhöfe in Schwabing:Gesamtkunstwerk im Untergrund

Lesezeit: 3 min

Das Landesamt für Denkmalpflege hat die fünf Stationen der Olympia-Linie U 3 auf die Denkmalliste gesetzt. Im Stadtviertel wird der Schritt begrüßt, die MVG jedoch macht aus ihrer ablehnenden Haltung keinen Hehl

Von Ellen Draxel, Schwabing

Die U-Bahn-Stationen Olympiazentrum, Petuelring, Scheidplatz, Bonner Platz und Münchner Freiheit sind zu Baudenkmälern erklärt worden. Mehrere Jahre lang hat sich das Landesamt für Denkmalpflege mit der Olympia-Linie U 3 befasst, weil die Stadt München den Status des Unesco-Weltkulturerbes für den Olympiapark anstrebt und dazu auch die baulichen Anlagen außerhalb des Parks gehören. Die Prüfung fiel positiv aus, sodass die fünf Bahnhöfe und das Zugangsbauwerk an der Münchner Freiheit nun in der Denkmalliste stehen.

Der um Stellungnahme gebetene Bezirksausschuss (BA) Schwabing-West, in dessen Viertel drei der fünf Haltestellen liegen, hat diesen Schritt "sehr begrüßt". Damit werde "das damalige Welt-Sportereignis 1972 in die Erinnerung zurückgeholt", erklärt der BA-Vorsitzende Walter Klein (SPD) in einer Stellungnahme.

Dass Baudenkmäler nicht nur oberhalb des Straßenbereichs, sondern auch im Untergrund zu finden sind, ist neu für München. Bislang gibt es das nur in Berlin, mehr als hundert der insgesamt 173 U-Bahn-Stationen dort sind denkmalgeschützt. Die U-Bahn gilt in der Bundeshauptstadt seit 1902 als Gesamtkunstwerk der Architekturgeschichte. In der Bayern-Metropole hingegen fuhr die erste U-Bahn erst 1971 - als U6 zwischen Kieferngarten und Goetheplatz. Ein Jahr später, am 8. Mai 1972, nahm die Olympia-Linie den Betrieb auf.

Schutzwürdig sind die fünf unterirdischen Bahnhöfe aus denkmalpflegerischer Sicht sowohl ihrer historischen wie auch künstlerischen Bedeutung wegen: Die Olympia-U-Bahn-Linie stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den XX. Olympischen Sommerspielen der Neuzeit, heißt es aus dem Landesamt. "Diese Spiele waren die erste weltweit beachtete Großveranstaltung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem damit einhergehenden Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur", erläutert Burkhard Körner, zuständig für die Pflege der Denkmalliste in München. Die Bundesrepublik habe sich damit "als moderner und demokratischer Staat präsentieren wollen - und die unterirdischen Bahnhöfe seien "Teil dieser Selbstdarstellung".

Der Kunsthistoriker betont aber auch den baulichen Wert der Stationen. "Im Unterschied zu den nüchtern-sachlichen Regelbahnhöfen der ersten U-Bahn-Strecke Münchens, der U6, wurde für die U3 das Heitere und Spielerische der Olympischen Sommerspiele zur gestalterischen Leitidee." Das für die Entwürfe zuständige U-Bahnreferat mit dem verantwortlichen Architekten Garabede Chahbasian habe sich für eine bahnhofsübergreifende Gestaltung mit individueller Ausprägung der einzelnen Haltestellen entschieden, einer "Mischform aus seriellem und individuellem Prinzip". Zu sehen ist das in der Leitfarbe Orange, die sich durch alle Stationen zieht. Und an den bunten Keramiken, die die Wände der Verteilergeschosse zieren und die Fröhlichkeit der Spiele symbolisieren sollen: Keine Kachel gleicht der anderen, jede wurde handwerklich hergestellt. Am Petuelring zeigt die Verkleidung grün-weiße Muster, am Scheidplatz tiefblaue mit roten Elementen. Eine künstlerische Einheit bilden zudem die bei vier der fünf Bahnhöfe in Sichtbeton ausgeführten Wände hinter den Gleisen. "In einem Arbeitsgang mit dem Betonieren der Wände wurden erstmals im U-Bahn-Bau Negativschablonen in die Schalung eingelegt", sagt Körner. Am Scheidplatz verwendete der Münchner Künstler Waki Zöllner dafür Abgüsse eines realen U-Bahn-Wagens.

Weil die Reliefs zur Bahnsteigmitte hin immer breiter werden, vermitteln sie die Dynamik des Ankommens und Abfahrens. Eine Idee, die Zöllner mit gleichförmig aufsteigenden Kreisen ebenfalls am Bahnhof Olympiazentrum nutzte. Schablonen verwendete auch die für die Bahnhöfe Bonner Platz und Petuelring beauftragte Bildhauerin Christine Stadler: In einem Fall kreierte sie Bühnenbilder des Münchner Großstadtlebens - das Zusammenspiel von Wirtschaft, Verkehr und Technik sowie Freizeitszenen im Tierpark, mit Musik, Sport und Literatur. Im anderen Fall griff die Künstlerin wie Zöllner auf das Thema Bewegung zurück. Einzig der Bahnhof Münchner Freiheit, an dem sich zwei Linien treffen, entspricht nicht dieser Einheits-Konzeption - er war laut Körner nach den Vorgaben von Paolo Nestler zu gestalten, der die meisten Bahnhöfe der Linie U6 konzipiert hat.

Was aber ist mit dem Umbau der U-Bahn-Station Münchner Freiheit vor elf Jahren? Widerspricht die Neugestaltung nicht dem Denkmalschutz? Es sei, argumentiert das Landesamt, noch genug alte Substanz erhalten, etwa die Schriftbilder, um auch diese Station denkmalwürdig zu machen. Unter Schutz steht außerdem das von Erhard Duwenhögger geschaffene Forum an der Münchner Freiheit samt "Treppen, Podesten, Wasserläufen und Bepflanzungen".

Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist man vom Eintrag in die Denkmalliste weniger begeistert. "Durch die Aufnahme der Bahnhöfe in die Landesdenkmalliste entstehen erhebliche Restriktionen für die Instandhaltung, Grunderneuerung und erforderliche Ausbauten bei den betroffenen Bahnhöfen", sagt MVG-Sprecher Matthias Korte. Auch ergäben sich hohe Zusatzkosten, ohne dass den Kunden ein zusätzlicher Nutzen entstehe.

Ganz im Gegenteil: Jeder zusätzliche Aufwand schmälere die Möglichkeiten, weitere Verbesserungen für die Fahrgäste umzusetzen. "Wir müssen bereits jetzt erhebliche finanzielle Herausforderungen stemmen, die sich aus umfangreichen Reinvestitions- und Ausbauvorhaben sowie den erforderlichen Brandschutzertüchtigungen ergeben." Viele dieser Maßnahmen seien aber zwingend erforderlich, um die Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit der U-Bahn zu gewährleisten. Die Haltung der MVG sei "daher unverändert ablehnend".

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SZ vom 30.03.2020
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