Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Die Münchner Wurstwelt bietet allerlei Herausforderungen

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Unsere Autorin kennt aus ihrer Heimat nur gut durchgebratenes Fleisch. Am Anfang ekelte sie sich vor Speck und Mettwurst. Doch heute schmeckt es ihr.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Nicht selten habe ich an dieser Stelle von der kulinarischen Qualität des Bayernlandes geschwärmt. Insofern mag überraschen, dass ich lange gebraucht habe, ehe ich mich mit den Spezialitäten der Münchner Küche anfreunden konnte. In den ersten Jahren gelang mir die Annäherung überhaupt nicht. Man nehme zum Beispiel die Zungenwurst. Und denke daran, dass es sich dabei um nahezu pures Schweineblut handelt. Allein der Gedanke daran, so etwas als Mahlzeit zu verzehren, löste Übelkeit in mir aus. Irgendwann aber kommt der Punkt: Da muss man so etwas probieren.

Als ich meinen ersten Bissen Zungenwurst riskierte, spuckte ich ihn zurück in die Serviette und eilte ins Badezimmer. Wo ich herkomme, landet selten tierisches Blut auf dem Tisch. Fleisch wird gut durchgebraten und geröstet. Roh oder blutig - mit diesen kulinarischen Aggregatszuständen war ich in Uganda so gut wie nie konfrontiert worden. Es folgten weitere Annäherungsversuche.

Die Münchner Wurstwelt bietet allerlei Herausforderungen. Damit konfrontierte mich eine Freundin, für die ich Frühstückseinkäufe erledigte. Ihr Einkaufszettel enthielt die Begriffe Streichwurst und Mettwurst, beides schwer vermittelbare Lebensmittel . Ich besorgte beides, wagte jeweils einen Versuch und ließ die Magenschmerzen über mich ergehen. Mettwurst? Wie kann man das nur freiwillig essen.

Die Bayern können offenbar niemals genug von ihren rohen, fettigen und blutigen Fleischspezialitäten bekommen. Wenn man etwa an bayerischen Speck denkt, ist das meist pures Schweinefett. Manchmal wird Speck mit einer dünnen Fleischschicht kredenzt, das ist aber nur Kosmetik. Zur Brotzeit wird Speck roh oder geräuchert serviert. Als ich zum ersten Mal hinein biss, fühlte es sich an, als würde man Kerzenwachs essen.

Anders als bei Zungenwurst habe ich den Charme von Speck und Streichwurst mittlerweile erkannt. Entscheidend dabei: Die Qualität muss stimmen, und das hat seinen Preis; deswegen ist es was Besonderes, wenn eine Schwarte bei mir auf dem Frühstückstisch steht.

Die Geschichte endet mit meiner zweiten Mettwurst-Begegnung. Diesmal war der Ort des Geschehens kein Supermarkt, sondern ein feines Büffet. Man befahl mir dort quasi, eine Mettsemmel zu vertilgen, weil sie sich - so hieß es - besonders gut mit einem Glas Bier vertrage. Wie verträglich wohl mein Magen auf die beiden Kumpanen reagiert? Mein Körper spreizte sich dagegen. Zuerst nahm ich einen Schluck Bier. Dann schloss ich die Augen und biss zaghaft an den Rand der Mettsemmel, wie ein Supermodel, dass einen doppelten Cheeseburger verspeisen soll. Ich öffnete die Augen und dachte mir: gar nicht mal so schlecht.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019
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