Süddeutsche Zeitung

Trudering:Überrascht und überrollt

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In Trudering regt sich heftiger Protest gegen die Pläne der Bahn, durch ein neues Gleis im Viertel den europäischen Güterverkehr zu ertüchtigen. Der Bezirksausschuss fordert die Stadt auf, sich für die betroffenen Bürger einzusetzen

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Proteste auch in Trudering gegen die Pläne der Bahn, die Truderinger und Daglfinger Kurve auszubauen, um ihren Güterverkehr zu verflüssigen. Während sich die Nachbarbezirke Sorgen machen um Bach und Sport und Farm, sind in Trudering Anlieger an der Leschkircher Straße und am Karl-Breu-Weg direkt betroffen von einer Nebenerscheinung der beiden Kurven, nämlich der Truderinger Spange, die im Zuge des Projekts zweispurig werden soll. Rund 30 Bürger kamen in die Sitzung des Bezirksausschusses mit der Bitte um Unterstützung. Sie hatten sich gewundert, dass das Gremium das Thema nicht sofort nach den ersten Informationen auf die Tagesordnung genommen hatte, doch der Vorsitzende Otto Steinberger (CSU) erklärte, er habe zuerst die öffentliche Informationsveranstaltung der Bahn am Mittwoch, 3. April, 17 bis 20 Uhr, im Luise-Kiesselbach-Heim an der Graf-Lehndorff-Straße 24 abwarten wollen.

Die Anwohner haben eine nördlich durch unbewohnte Flächen führende Alternative ausgetüftelt und über die Presse publik gemacht. Ihre Variante würde dieses Teilstück überflüssig machen und könnte auch für die Bahn vorteilhaft sein. Im Bezirksausschuss fand CSU-Sprecherin Magdalena Miehle diese Idee "sehr augenfällig". Man sei gespannt, wie die Experten der Bahn bei der Infoveranstaltung auf den Vorstoß der Anlieger reagieren werden, erklärte Herbert Danner (Grüne): "Wenn es technisch machbar ist, setzen wir uns für Sie ein."

Insgesamt aber will der Bezirksausschuss in diesem Dilemma nicht die Rolle des Buhmanns, Schiedsrichters oder Oberkämpfers spielen. Die ehrenamtlichen Politiker fühlen sich mit dieser Rolle überfordert und von der Stadtverwaltung im Stich gelassen. Während die Bahn eine stets ansprechbare Projektleiterin habe, gehe in der Stadt die Zuständigkeit noch zwischen dem Referat für Gesundheit und Umwelt und dem Planungsreferat hin und her, ärgerte sich Georg Kronawitter (CSU): "Ein Tohuwabohu." Die CSU forderte daher, einen städtischen Projektbetreuer für das Bahnprojekt Daglfinger und Truderinger Kurve zu installieren, bei dem stadtintern die Fäden zusammenlaufen. Dieser Koordinator müsse am Ende dafür sorgen, dass die Stellungnahmen der betroffenen Bezirksausschüsse auch wirklich ins Verfahren einflössen. Dies wurde einstimmig beschlossen.

Danner erklärte, es sei immerhin erfreulich, dass der Schienenausbau endlich vorankomme, doch wenn die Bahn "im Bestand" baue, müssten Lärm- und Erschütterungsschutz optimal sein und günstigstenfalls für die Bürger sogar eine Verbesserung bringen. Die Bürger jedoch fragen sich grundsätzlich, warum wirklich Güter aus "ganz Europa" auf der Schiene ausgerechnet mitten durch eine Metropole transportiert werden müssen: Züge zwischen Südeuropa und Hamburg oder Rotterdam, Züge zwischen Paris und Bratislava, alles durch Trudering.

Ein Spezialproblem haben zudem die Eigentümer von 17 Reihenhäusern an der Leschkircher Straße: Ihr Bauträger hatte die Fläche erst vor wenigen Jahren von der Bahn erworben. Werde das neue Gleis gebaut, käme die neue Schallschutzwand nach einer ersten Schätzung 5,30 Meter vor einem der Häuser zu stehen. Da frage man sich nun, ob die Bahn das beim Verkauf schon gewusst habe. Der Bezirksausschuss riet, einen Anwalt zu konsultieren: Man müsse herausfinden, ob die Bahn gegen Treu und Glauben verstoßen habe.

Peter Brück, Sprecher einer Anliegergruppe vom Karl-Breu-Weg, machte den Bezirksausschuss auch noch auf den enormen Zeitdruck aufmerksam. Die Bahn wolle dieses Projekt nach seinen Informationen schnell durchziehen, denn laut derzeitiger Gesetzeslage könne sie das Planfeststellungsverfahren noch wie bisher üblich mit der Regierung von Oberbayern abwickeln, also in einer vertrauten Konstellation. Nach 2020 sei dafür das Eisenbahnbundesamt zuständig, das zwar viele Erfahrungen habe mit technischen Zulassungen, jedoch weniger mit räumlichen Genehmigungsverfahren.

Daher, so der Anlieger, pressiere es nun auch mit dem Widerstand. Er wolle den Bezirksausschuss nicht überfordern, sei aber froh, ihn in diesem ersten Schritt auf Seite der Anlieger zu haben. Selbstverständlich werde sich die Initiative auch an andere Politiker wenden. Brück berichte bereits am Tag nach der Sitzung, er habe mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Markus Rinderspacher telefoniert. Dieser habe zugesagt, sich bei Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) für die Truderinger einzusetzen, erzählt Brück.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2019
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