Süddeutsche Zeitung

Theater:Wahrheit unter Druck

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Das "Theater ... und so fort" zeigt ein Stück über die Lage der Pressefreiheit.

Von Sofia Pavlu

Die investigative Journalistin Lisa Montag wäscht sich manisch die Achseln, jedes Mal wenn sie total erstaunt jenen Ich-Stinke-Zustand feststellt. Aber der ist quasi die Folge des Lockdowns, in dem sie sich befindet. Und außerdem steckt sie mitten in einer äußerst brisanten Recherche, die die Korruptionsdelikte des hochrangigen Politikers "Lobo" im Zusammenhang mit einer Maskenaffäre entlarven soll. Das Theaterstück "Innen" kritisiert weltweit repressive Vorgehensweisen gegen die Presse zu Beginn der Pandemie, und verweist dabei auf den Jahresbericht von "Reporter ohne Grenzen". Regisseur Winfried Frey hat dafür auf die Bühne des "Theaters ... und so fort" ein karges Einzelzimmer gestellt, das ursprünglich als Panikraum diente. Darin spielt Mira Mazumdar die ambitionierte Journalistin Lisa Montag. Mazumdar macht die Rolle durch ihre expressive, teils chaotische Körpersprache dem Publikum nahbar.

Das Stück erzählt die Reise hin zur Pressefreiheit mit Fokus auf jüngste Ereignisse. So deklarierten Politiker wie Juan Orlando Hernández (Honduras) oder sein Amtskollege Jair Bolsonaro (Brasilien) eine objektive Berichterstattung als Hysterie schürende Praktiken der "Feinde des Volkes", also der Journalistinnen und Journalisten. Selbst im demokratischen Deutschland waren Medienschaffende von Angriffen betroffen. Das Bühnenstück gleicht einer Hommage an zu Unrecht inhaftierte, bedrängte Journalisten, die im Gegensatz zu manchem Politiker unverblümt die Wahrheit sprechen. Dazu fühlt sich auch die Protagonistin des Stücks berufen. Sie aber verfällt langsam in einen Zustand der Angst. Dystopische Züge nimmt das Stück an, als der Strom ausfällt und sie sich in ihrem für 570 Euro angemieteten "Panic Room" im Lehel verbarrikadiert. Und das, obwohl Münchner Mietpreise ohnehin schon zur Panik Anlass geben. Hat man sie gehackt, um sie endgültig verstummen zu lassen? Handelt es sich um einen deutschlandweiten Blackout? Die Tatsache, wie verloren der Mensch ohne Strom sein kann, und wie fragil die Demokratie, ist jedenfalls um einiges unheimlicher als miefende Achseln.

"Innen", Theater ... und so fort , bis 15. Oktober, Hinterbärenbadstraße 2

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