Süddeutsche Zeitung

Kritik:Nicht nur für Nerds

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Die Pianistin Yaara Tal spielt ein Studiokonzert im BR-Funkhaus, meist ist sie solistisch unterwegs. Doch dann und wann wird sie mit ihrem Duopartner Andreas Groethuysen zu einem Körper mit großem Klang.

Von Rita Argauer

Dreigroschenoper, Charleston und Schönberg. Schon im Kanon sind die 1920er-Jahre ästhetisch vielschichtig. Was abseits davon vor 100 Jahren noch passierte, zeigen Tal und Groethuysen bei ihrem Studiokonzert im BR-Funkhaus. Zehn verschiedene Komponisten stehen auf dem Programm, das Yaara Tal größtenteils ohne ihren Duo-Partner bestreitet.

Kleine Stücke, Miniaturen, ein wilder Ritt durch zum Teil gar nicht wilde, sondern eher komplizierte Musik. Dass die bekanntesten Komponisten dabei Ernest Bloch, Hans Eisler und Leoš Janáček sein dürften, zeigt auf welchem Nerd-Niveau sich die musikalische Auswahl und Recherche befinden. Im positiven Sinn.

Es beginnt mit leicht chromatisch um einen Akkord plätschernden Préludes von Frederick Delius. Auf zwei zauberhafte Klavierstücke von Joseph Achron folgt dann Ernest Blochs "Nirvana" - ein dunkel verschattetes Wechselspiel im Sekunden-Intervall, darüber Studien über die Tonfolge "B-A-C-H" und die Umgarnung einer möglichen Erlösung im tonalen Nichts. Yaara Tal nimmt das zum Glück alles nicht ganz so schwer. Man merkt ihr die große Spiellust an, auch oder gerade dann, wenn sie - wie in letzter Zeit öfter - nach fast 40 Jahren im Duo solo spielt.

So ist ihre Interpretation wach, spritzig und lebendig. Selbst bei den zwölftönigen und ohne jegliche Vortragszeichen komponierten Mini-Klavierstücken von Josef Matthias Hauer. Oder in ihrer so zupackenden wie greifbaren Interpretation der ebenfalls seriell komponierten zweiten Sonate von Hans Eisler. In der Hinsicht ist Tal ein Profi - es gehört zum Markenzeichen ihrer Arbeit mit Groethuysen Werke außerhalb des Kanons aufzuführen. Zweimal kommt Andreas Groethuysen auch an diesem Abend dazu, sie werden zu einem Körper mit großem Klang. Transparent in Fritz Heinrich Kleins wirr verkopftem und modularen "Die Maschine", hinreißend bei den stilistischen Anachronismen in sechs kleinen Stücken von Ottorino Respighi.

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