Süddeutsche Zeitung

Szene München:Gschaftln mit Geschmack

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Früher gab es Beratung bei der Weinauswahl - heute kann der Kunde den Sommeliers für Brotkruste, passende Soßen und Bier nicht mehr entgehen.

Von Florian Fuchs

Kürzlich im Fastfood-Restaurant an der Sonnenstraße, morgens um fünf. Die Chicken Wings schmecken eigentlich immer ganz gut mit der Barbecue-Soße, süß-sauer ist aber vielleicht auch nicht schlecht. Die Dame hinter der Kasse bemerkt den Zweifel im Auge des Kunden, rückt den Kragen zurecht und wählt ihre Worte mit Bedacht. "Das Hähnchenfleisch", sagt sie und setzt eine kundige Miene auf, "passt am besten zum würzigen Aroma der Barbecue-Soße."

Dem Beruf des Sommeliers, so scheint es, ist eine goldene Zukunft beschieden. Früher hat der Sommelier dem Gast den Weg beim Wein gewiesen und, wenn er gut war, zum Hirschkalbsrücken die Rebsorte Mourvèdre empfohlen. Heute geht der Haidhauser morgens zum Bäcker, wo die Brotsommelière schnuppert und tastet und dann einen Laib ans Ohr hält, bis die Kruste leise knackt.

Der Rum macht den komplexen Geschmack - und war ein Sonderangebot

Am Elisabethplatz erzählen Fleischsommeliers die Lebensgeschichte des Rindviechs, das anschließend perfekt marmoriert auf den Teller kommt. Und in der Boazn um die Ecke mixt der Heinzi hinterm Tresen den Cuba Libre plötzlich mit einem sieben Jahre in Weißeichenfässern gelagerten Rum. Der gebe dem Drink seinen kräftigen, komplexen Geschmack, sagt er. Außerdem gab es ihn bei der Metro im Sonderangebot.

Beobachter der Szene behaupten, dass all die Sommeliers für Wein, Brot, Fleisch, Bier, Wasser, Marmelade, Gummibärchen, Schokolade, Smoothies, Cocktails, Longdrinks und natürlich Chicken Wings im Begriff sind, die Sommelier-Gewerkschaft MGG "Münchens Geschmacks-Gschaftler" zu gründen.

Wie ein Insider verrät, hat sich bei der vorbereitenden Gründungsversammlung auch der Inhaber eines Handels für Tiernahrung zu Wort gemeldet. Er erklärte, dass Trockenfutter mit dem jeweiligen Beißknochen harmonieren müsse, um die Lebensqualität von Hunden zu steigern. Die künftigen Mitglieder lehnten es ab, den Mann in ihre Gewerkschaft aufzunehmen. Man wolle den Markenkern des Berufs nicht gefährden.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2016
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