Süddeutsche Zeitung

Szene München:Schrottig, aber selbstbestimmt

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Bei der Gestaltung seines Abendprogramms lässt sich der Münchner gerne von anderen sagen, wo es lang geht. Von DJs, Türstehern, Barkeepern. Zum Glück gibt es ein paar Kneipen, die Widerstand leisten.

Eine Kolumne von Andreas Schubert

Dass Selbstbestimmung sein Ding ist und er sich noch lange nicht alles vorschreiben lassen will, hat der Münchner beim Bürgerentscheid wieder eindrucksvoll bewiesen. Nur bei der Gestaltung seines Abendprogramms lässt er sich gerne von anderen sagen, wo es lang geht. Die anderen, das sind die sogenannten Macher der Szene.

Da gibt es zum Beispiel die Barkeeper. Die kreieren immer wieder neue, hippe Drinks aus bei Vollmond selbstgepflückten und in rechtsgerührtem Osmosewasser ausgekochten Zutaten, die man unbedingt gut finden muss, will man nicht als dödeliger Bierdimpfl dastehen. Oder die DJs, die die Nächte mit stets neuen Sounds beschallen, die man natürlich gut finden muss, will man nicht als taube Nuss gelten.

Oder die Türsteher, die für die Dresscodes zuständig sind, welche man einhalten sollte, will man überhaupt irgendwo rein. Oder wer auch immer: Irgendwie ist es gut, dass es diese Leute gibt. Wir müssen nicht selbst mitdenken, lassen einfach unser Geld da, gehen mit der Mode - und gut ist's.

Ganz München ist in der Hand einer mehr oder minder kreativen Elite. Ganz München? Nein! Ein paar von unbeugsamen Nachtschwärmern bevölkerte Kneipen hören nicht auf, dem Modediktat Widerstand zu leisten. Und zwar, indem sie Apparate aufstellen, die unsere Vorfahren als Jukeboxen kannten. Im Johannis Café beispielsweise steht so ein Ding oder im Enrico Pallazzo.

Hier können die Gäste selbst aussuchen, was zu hören sein soll, das Repertoire solcher Kisten ist meist ein einziger Rausschmeißer, und wer sich richtig subversiv fühlen will, legt Neil Diamond auf, die Beach Boys oder ähnlichen Schrott. Immer noch besser, als sich andernorts vom Wirt die Musik vorschreiben zu lassen. Wenn es um Selbstbestimmung geht, versenkt der Münchner gerne mal ein paar Euro extra im Schlitz.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2013
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