Süddeutsche Zeitung

Szene München:Mit 30 ist das Party-Leben zu Ende

Lesezeit: 1 min

Früher, da haben wir noch gefeiert. Heute ist Erholung populär.

Kolumne von Christiane Lutz

Es lässt sich nicht vermeiden, hin und wieder über das Älterwerden nachzudenken. Dieses sehr subjektive Empfinden beginnt nicht etwa erst ab 66, sondern bei den meisten Menschen ungefähr mit 25. Ab dann wird das neue Lebensjahr plötzlich nicht mehr frenetisch herbeigefeiert, erste "Sollte ich nicht längst?"-Gedanken machen sich breit und von Jahr zu Jahr breiter.

Schlimm genug, dass einen die eigenen Freunde häufig älter machen, als man eigentlich ist. Wo es doch der Job von Freunden ist, das Gegenteil zu tun, nämlich einen ewigen Schutzraum für die eigene Albernheit und Unreife auch im hohen Alter zur Verfügung zu stellen. Einen Raum, in dem man kichernd auf dem Boden herumrollen könnte, ohne dass das groß auffiele.

"Wer kommt mit auf die 7 Jahre Super Paper Party in der alten Börse?", fragt man die Freunde im gemeinsamen Facebook-Chat vorsichtshalber schon zwei Tage eher. Denn spontan geht bei arbeitenden Menschen ja gar nichts mehr. Keine Reaktion. Auf Nachfrage dann zwei müde "sorry, muss mich erholen." Erholung ist ab 30 so populär, dass ein befreundetes Paar kürzlich verkündete, seine nächste Party an einem Freitagabend veranstalten zu wollen, "weil da ja alle Gäste schon müde sind". Somit dauere die Party nicht so lang und sie könnten sich am Samstag erholen. Wird wild.

Da geschieht das Unglaubliche: Ein längst im Vaterland verloren geglaubter Freund meldet sich spontan (!) am Freitag (!) abends (!) und möchte "vorbeikommen und was trinken gehen." Sofort wird er für die Super Paper Party verpflichtet. Er bittet um einen Energydrink oder wenigstens eine Tasse Kaffee und erkundigt sich vorsichtig, wie lang man vorhabe zu feiern. Nur so ungefähr.

Auf der Party dann bestellt er einen Vodka Energy und überlegt laut, wie man sich doch gleich auf solchen Veranstaltungen verhalte. Dann wird er plötzlich locker. Wir feiern, wir tanzen, wir trinken ausgelassen, vergessen Zeit und Raum. So lang, bis wir nicht mehr können. Dann gehen wir nach Hause. Es ist 23.45 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2016
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