Süddeutsche Zeitung

Szene München:Haargel auf dem Herrenklo

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Sprühdeo, Haarlack oder Handcreme: Solche Kosmetikartikel gibt es auf der Toilette in der Stammkneipe jetzt gratis. Wozu sich also überhaupt noch zu Hause vor dem Ausgehen fein machen?

Von Florian Fuchs

Wenn es eng wird auf dem Markt, dann lässt sich die Industrie etwas einfallen, das gilt auch für Zahnstocher. Früher standen die Dinger in jedem Wirtshaus neben Salz- und Pfefferstreuern, der zähe Schweinsbraten musste schließlich wieder raus aus den schmerzenden Zahnzwischenräumen.

Außerdem kommt das Lächeln nicht so gut, wenn Petersilie den Anblick trübt. Irgendwie ist die Fummelei mit dem Holz aber aus der Mode gekommen, weshalb die Hersteller inzwischen ein bisschen verzweifelt wirken: Im Internet kann man jetzt Zahnstocher mit Geschmack bestellen - die "Bacon Toothpicks" zum Beispiel.

Ob dieser Idee der Durchbruch gelingt, ist allerdings äußerst zweifelhaft. Man muss sich nur mal ansehen, wie Clubs, Lokale und Bars in München ihre Toiletten aufrüsten. Die Reinigung des Mundraums ist in der Gastronomie eindeutig dorthin verbannt worden, wo sie hingehört: auf das WC.

Wo man sich früher in besonders harten Läden auf der Toilette höchstens auf Zehenspitzen fortbewegte, um die neuen Sneakers nicht zu versauen, steht heute nicht nur fast überall eine Putzfrau bereit, um die motorischen Ausfallerscheinungen betrunkener Besucher am Pissoir diskret zu beseitigen.

Am Spülbecken halten Clubs wie Lokale im Damen- wie Herrenbereich inzwischen alle erdenklichen Toilettenartikel bereit. Wozu ein Zahnstocher neben dem Salzstreuer, wenn auf dem Klo die Schachtel mit der Zahnseide steht? Wozu sich überhaupt noch zu Hause vor dem Spiegel fein machen? Im putzigen Bastkorb am Waschbecken der Stammkneipe um die Ecke haben sie doch auch Sprühdeo, Haarlack, Haargel und Handcreme.

Fraglich ist eigentlich nur, warum die Drogerieketten die Werbewirksamkeit dieses Trends noch nicht entdeckt haben. Sie hätten da einen riesigen Absatzmarkt und würden ein vorwiegend junges Zielpublikum ansprechen. Ein Traum für jeden Marketingexperten. Die Brauereien haben schließlich auch Exklusivverträge mit Lokalen, Bars und Clubs.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2014
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