Süddeutsche Zeitung

Szene München:Die perfekte Lautstärke ist relativ

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Ganz schwierig ist es bei Wohnzimmer-Konzerten - wenn halblaute Privatgespräche den sensiblen Gesang der Band übertönen.

Von Christiane Lutz

Jeder Raum hat seine ganz eigenen Regeln für die Lautstärke von Unterhaltungen. Im Büro reißt man sich zusammen, nicht so laut zu telefonieren, dass der Kollege vom Stuhl fällt.

Im Preysinggarten hingegen hat, wer sich nicht anschreit, keine Chance, irgendwas von dem zu verstehen, was die Begleitung zwischen Schnitzel und Dessert zu erklären versucht. Im Maria Passagne ist man gut bedient, eher im Flüsterton zu plaudern, weil die Tischchen so eng stehen, dass der Weg zur Toilette praktisch über den Teller des Nebenmanns führt.

Nicht ganz eindeutig sind leider die Lautstärkeregeln für Gespräche auf Popkonzerten. Gut, inzwischen dröhnt gefühlt selbst der halbseidenste Singer-Songwriter so laut, dass man sowieso gar nix hört und standardmäßig Ohropax mit aufs Konzert nimmt, die man dann verschämt in den Gehörgang schiebt, weil man sich so schrecklich senil dabei vorkommt.

Je weniger Menschen dabei sind, desto auffallender wird der Einzelne

Es gibt aber eine ganze Reihe kleiner Spielorte in der Stadt, die eine solch wohnzimmerartige Atmosphäre schaffen, dass jede Art von halblautem Privatgespräch als persönlicher Affront gegen die Band gewertet werden muss. Denn: Je weniger Menschen dabei sind, desto auffallender wird der Einzelne.

Klar. Neulich in der Glockenbachwerkstatt zum Beispiel: "Hast du eigentlich mal wieder was von Peter gehört?" grölt Person eins hemmungslos während eines Liebeslieds. Der Sänger antwortet: "No, no, you won't love me, no, no." Person zwei: "Nee, der Depp meldet sich nie bei mir. Ist wohl besoffen." Sänger: "Don't say that, 'cause you're breaking my heart", Person eins: "Sonst alles klar?", Sänger jault: "I will die for you".

So geht das fortan, während man selbst Schwierigkeiten hat, emotional ins Konzert einzusteigen, wo Peter scheinbar echt ein Riesendepp ist. Im Theater hätten die Jungs längst eine auf den Deckel bekommen, da ist Strenge erlaubt. Aber bei einem Popkonzert andere Fans anschnauzen, weil sie sich unterhalten? Wie spießig. Bleibt nur, sie entweder in den Preysinggarten zu schicken. Oder die mitgebrachten Notfall-Ohropax einzulegen.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2016
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