Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Hinter den Masken:Nicht nur sauber, sondern rein

Lesezeit: 2 min

Benjamin Würstl kämpft als Leiter der Krankenhaushygiene gegen multiresistente Keime - und jetzt gegen das Coronavirus

Von Anna Hoben

Benjamin Würstls Job ist für das Funktionieren eines Krankenhauses immer wichtig. So wichtig wie zurzeit war er aber wahrscheinlich noch nie: Der 41-Jährige ist Leiter der Krankenhaushygiene und unter anderem dafür verantwortlich, dass die Vorgaben aus dem Infektionsschutzgesetz und die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gut umgesetzt werden. Er berät Geschäftsführung und Klinikleitungen, organisiert Schulungen und koordiniert sein Team aus mehr als 20 Mitarbeitern aus verschiedenen Berufsgruppen: Krankenhaushygieniker, Hygienefachkräfte, Hygiene-Ingenieure, Probennehmer.

Würstl spricht überlegt und verhaspelt sich nicht, wenn er sich als Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie vorstellt. Was er tut, ist auch abseits einer Pandemie spannend: Hinter den Leitlinien, Plänen und Verfahrensanweisungen, von denen er spricht, verbergen sich zum Beispiel auch die Nachverfolgung von multiresistenten Erregern und solchen mit besonders hoher Übertragungsfähigkeit. Würstls Team erfasst deshalb den Antibiotika-Verbrauch der Klinik und erstellt Leitlinien für deren Einsatz.

Aber auch die sogenannte technische Hygiene haben sie im Blick, dazu gehören Trinkwasser und Raumluft. Dann gibt es noch das Thema Bauhygiene - seit einigen Jahren wird an allen Standorten der München Klinik viel gebaut. Neben der engen Abstimmung mit den zuständigen Behörden und der Netzwerkarbeit ist es für den Hygieniker zurzeit besonders wichtig, neue Forschungsergebnisse zum Coronavirus zu kennen. "Man muss immer auf dem Laufenden bleiben, sich mit den neuesten Publikationen auseinandersetzen und die Erkenntnisse einfließen lassen."

In der Corona-Krise sind Arbeitsabläufe komplett verändert, Bereiche getrennt in solche mit Covid- und solche ohne Covid-Patienten. "An oberster Stelle stehen Patientensicherheit und Personalschutz", sagt Würstl. Aber wie trifft man Entscheidungen im Kleinen und Konkreten? Was geschieht etwa mit dem Stempelautomaten am Eingang, der eine mögliche Übertragungsstelle für das Virus sein könnte? Da, sagt der Hygieniker, sei die Händedesinfektion entscheidend. Schließlich fassten die Mitarbeiter den ganzen Tag über alle möglichen Gegenstände an. "Es ist aber natürlich nicht möglich, jeden einzelnen Kugelschreiber zu desinfizieren. Deshalb muss die Übertragungskette durch Händedesinfektion unterbrochen werden."

Auch in den Kantinen stehen überall entsprechende Spender. Es gibt keine Buffets mehr, Essen wird nur portioniert ausgegeben. An der Kasse ist der Boden mit Wartepunkten gekennzeichnet, im Abstand von anderthalb Metern. Lange haben sie diskutiert, ob FFP2-Masken notfalls aufbereitet und zweimal verwendet werden könnten, falls das Material knapp wird. Letztlich entschieden sie sich dagegen: "Es sind Einmalprodukte, dazu gibt es klare Herstellerangaben." Zum Glück, sagt Würstl, sei man bisher nicht in einer Situation gewesen, in der dies notwendig geworden wäre. Mittlerweile gibt es einen großen Vorrat.

Die Motivation und das Durchhaltevermögen in seinem Team, aber auch der Zusammenhalt in der ganzen Klinik haben ihn beeindruckt. Aber auch die neue Kreativität im Haus sei toll. Kollegen aus der Gastroenterologie und der Neurologie etwa haben ein fahrbares Schutzschild aus Plexiglas entwickelt für Tätigkeiten, die mit einer Aerosolentwicklung einhergehen können, zum Beispiel Bronchoskopien.

Es ist noch nicht so lange her, da hat Benjamin Würstl den Pandemieplan der München Klinik überarbeitet. Damals war das ein sehr theoretisches Szenario, von Corona war noch keine Rede. Dass der Plan dann doch so schnell in Kraft treten würde, hätte der Hygieniker nicht gedacht. "Von daher macht mich dieses Jahrhundertereignis als Mensch und als Mediziner schon auch sehr demütig." Entspannen kann er am besten auf dem Balkon, wenn er am Wochenende mal ein paar Stunden Zeit dafür hat. Seine neue Realität sieht nun so aus: "Die Nächte sind etwas kürzer und die Haare etwas länger."

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Quelle:
SZ vom 06.05.2020
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