Süddeutsche Zeitung

Symposium:Ist das Kunst oder kann das weg?

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Zwei Tage lang erkunden Kabarettisten und Wissenschaftler die Frage, was Satire ist und darf. Die Idee stammt von Bruno Jonas. Eine Antwort? Humor ist, wenn er passiert, sagt Gerhard Polt.

Von Thomas Becker

Ein "Zentralrat des deutschen Humors", der "neue Erkundungen im Feld von Komik, Ironie und Satire" anstellt: Ist das Kunst, oder kann das weg? Ein Symposion, das Fragen behandelt, zu denen seit Jahrtausenden viel gesagt worden ist, nur halt noch nicht von jedem. Fragen wie: Was ist Humor? Was ist Satire? Worüber wird gelacht und warum? Der arme Arbeitskreis: Weiter kann man ein Thema nicht fassen. Ein Teilnehmer merkt an, für Engländer sei es schon eine Pointe, dass sich Deutsche versammeln, um sich Humor zu erklären. Doch alles durchdringen wollend wie der Germane nun mal ist, halten ihn solche Sätze nicht davon ab, der Sache auf den Grund zu gehen, zwei Tage lang, je sechs Stunden.

Die Idee stammt von Bruno Jonas, dem Mitgesellschafter der Lach- und Schießgesellschaft, die ein Jahr nach einem Geschäftsführerwechsel erst allmählich aus dem Dornröschenkoma erwacht, seit drei Wochen unter neuer Geschäftsführung: Stefan Hanitzsch wurde durch Roswitha Seelos ersetzt, die seit Jahr und Tag die Auftritte von Jonas managt. Der wird am Sonntag 70 und hat sich wohl gefragt: Warum nicht mal wissenschaftlich hinterfragen, was ich seit 50 Jahren auf der Bühne verzapfe?

In Form eines Ping-Pong-Spiels: "Die Praktiker schlagen auf, den Return liefern Theoretiker aus allen geisteswissenschaftlichen Richtungen", heißt es auf der Website. Und weil so was Geld kostet, landet der Aufsteller eines Immobilienkonzerns als "Premiumsponsor" neben dem Podium. Der Zentralrat geht nun von folgender Ausgangslage aus: "Die Gesellschaft ist gespalten, in Leugner und Befürworter, in geistig Verarmte und prekäre Intellektuelle, in humorbegabte Hedonisten und moralinsaure Mahner." Der Plan: mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und dem Forum Humor und komische Kunst den Zustand des deutschen Humors untersuchen. Wenn's weiter nichts ist! LMU-Ordinarius Friedrich Vollhardt sagte nach zwölf Referaten und sechs Diskussionsrunden von 14 Teilnehmern (darunter nur eine Frau): "Eine Zusammenfassung der beiden Tage ist ein Ding der Unmöglichkeit."

Einen Versuch ist es wert. Am Freitag in der laut Anwesenden zu einem Drittel gefüllten Großen Aula verhandeln Jonas und der Literaturwissenschaftler Jörg Schönert die ewige Frage, was Satire kann und darf, Kunsthistoriker Jürgen Müller und die Karikaturisten Greser & Lenz sprechen über Bildkomik, bevor Mathias Tretter und der Jurist Oliver Lepsius erörtern, wieviel Humor überhaupt erlaubt ist.

"Ich habe nie versucht, das wissenschaftlich zu ergründen", sagt Gerhard Polt.

Tag zwei, im zunächst zu drei Vierteln besetzten Audimax, beginnt mit Gerhard Polt, dessen Beobachtungen unter "Humor ist, wenn er passiert" subsummiert werden. "Ich habe nie versucht das wissenschaftlich zu ergründen", sagt er. Das übernimmt FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube, der Kluges zur Soziologie des Humors beisteuert.

Beim Thema Empirische Ästhetik klaffen die Vorträge auseinander. Während Martin Sonneborn, der seine Magisterarbeit über "die absolute Wirkungslosigkeit moderner Satire" verfasste, einen Lacher nach dem anderen bekommt, hält Katja Mellmann ein literaturwissenschaftliches Proseminar, in dem auch vom "rhythmischen Lautemissionsverhalten von Ratten" die Rede ist. Letztes Oberthema: Film. So kundig Philosophie-Professor Josef Früchtl auch über Superiositäts- und Kongruenzlachen doziert: Nach fünf Stunden sind Adorno, Freud und Kant noch mal harte Kost. Gut, dass Leander Haußmann mit Verve und trotz ADS die Stimmung wieder hochzieht.

Jetzt aber alle wieder ab ins Kabarett, solange es noch Bühnen gibt!

Im Saal, der sich nach Polt fast so wie das Stadion beim WM-Auftakt geleert hat, sitzt nun der harte Kern und wird vom Spiritus Rector um Input für das nächste Symposion im Oktober 2023 gebeten. Tendenzen zur humorfreien Zone, gerade beim Thema Klimawandel, hat Jonas ausgemacht: "Die Kränkungs- und Empörungsbereitschaft hat bei vielen zugenommen." Friedrich Vollhardt spricht von einer "Generation Beleidigt" und sieht darin "einen Arbeitsauftrag für nächstes Jahr". Wäre das auch geklärt: kann nicht weg, der Zentralrat. Gut. Jetzt aber alle wieder ab ins Kabarett, solange es noch Bühnen gibt!

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