Süddeutsche Zeitung

Suche nach Vergewaltigungsopfer:Das verschwundene Opfer

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Drei Männer sind in Haft, weil sie eine Frau betäubt und missbraucht haben sollen: Wo aber ist sie? Die Geschichte einer ungewöhnlichen Fahndung.

Susi Wimmer

Horror nach der Wiesn: Drei Männer schleppen eine junge Frau vom Oktoberfest mit nach Hause und flößen ihr heimlich K.O.-Tropfen ein. Zwei von ihnen vergewaltigen und misshandeln sie dann über Stunden, der Dritte macht Fotos mit seinem Handy. Das Verbrechen geschah am 7. Oktober 2007, nach dem letzten Wiesn-Sonntag damals.

Jetzt wurden drei Männer gefasst. Robert, Ignaz und Peter, so heißen die drei, sitzen nun im Gefängnis und warten auf ihren Prozess. Es steht zu befürchten, dass dem Trio weitere Frauen in München zum Opfer gefallen sind. Vor allem aber hoffen die Ermittler, dass sich das Opfer vom Wiesn-Sonntag meldet. Die Frau trug eine hölzerne Wäscheklammer am T-Shirt, darauf stand "Liserl". Ob sie sich an die Tat erinnert, ist fraglich.

Immer mehr Täter filmen ihre Opfer mit ihren Handys, ob bei einer Schulhofschlägerei, einem Überfall oder einem schweren Verbrechen wie in diesem Fall. "Für manche ist das wie eine Trophäensammlung", sagt ein Polizist. Mit den Bildern werde dann später im Freundeskreis geprahlt oder sie werden am Computer gespeichert, um sich auch später daran noch berauschen. Und das Opfer wird von der Sorge begleitet, wer alles diese Szenen seiner tiefen Demütigung angesehen hat und ob sich das Material gar im Internet wiederfindet.

Im Fall von "Liserl" aber wurden die Fotos den Verdächtigen zum Verhängnis: Denn gegen den 27-jährigen BWL-Studenten Robert ermittelte die Polizei wegen diverser Drogendelikte. Die Beamten stellten sein Handy sicher und entdeckten die Fotos von der Vergewaltigung. Außerdem fanden sie in seiner Wohnung auch die Tropfen mit dem Wirkstoff GBL.

Im Laufe der Ermittlungen stieß die Polizei auf den 28-jährigen Angestellten Ignaz, genannt "Igi", und den 25-jährigen Hilfsarbeiter in einer Autoglaserei, Peter, Spitzname "Speedy". Robert sitzt wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz schon seit Monaten im Gefängnis, gegen die anderen beiden erging Ende Januar Haftbefehl wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung.

Zurück zum 7. Oktober 2007. Im Hacker-Zelt feiert das Männer-Trio mit einer Freundes-Clique. Wohl dort lernen sie die junge Frau kennen. Sie trägt Jeans und ein schwarzes Top, an das die Wäscheklammer geheftet ist. Der Alkohol fließt in Strömen, und als auf dem Oktoberfest die Lichter ausgehen, beschließen die Männer, mit der Frau in der Wohnung von Robert weiterzufeiern.

Ein Taxi bringt die vier nach Obersendling in die Dönnigesstraße. Dort mischen sie der Frau GBL-Tropfen in ein Getränk. Diese chemische Substanz wirkt stark berauschend, das Opfer wird willenlos, eine Überdosierung kann tödlich sein. Dann fallen sie über die Frau her. "Sie ist am nächsten Tag in der Wohnung aufgewacht und hat gefragt, was passiert sei", erzählt Ignaz Raab vom Kommissariat für die Aufklärung von Sexualdelikten. Es könne sein, dass die junge Frau "gar nichts mehr weiß oder sich nur schemenhaft erinnern kann".

Leidet die Frau an einem "Blackout" oder schweigt sie aus Scham? "Wir sichern ihr auf alle Fälle absolute Diskretion zu", verspricht Ignaz Raab. Die Recherchen der Polizei ergaben, dass sie im Bereich der Prinzregentenstraße in Bogenhausen wohnt, vermutlich Lisa, Elisabeth, Alisa, Elisa oder Lucie heißt.

Da die Qualität der Handyfotos schlecht ist, liegt die geschätzte Altersspanne zwischen 14 und 28 Jahren. Die Frau ist 1,50 bis 1,65 Meter groß, hat dunkles, schulterlanges, leicht gewelltes Haar. Es könnte auch sein, dass die Unbekannte an der LMU studiert oder studiert hat. Denn die Polizei hat Hinweise darauf, dass sie einen der Täter, Robert, bereits vorher schon flüchtig gekannt hatte.

Der 27-jährige Student schweigt. Der 28-jährige "Igi" stellt die Tat anders dar, lediglich der als Hilfskraft arbeitende "Speedy" legte ein umfassendes Geständnis ab. Auch wenn er die Vergewaltigungen fotografiert hatte und nicht direkt beteiligt war, wird ihm der gleiche Tatbeitrag zur Last gelegt. Schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung: "Der Strafrahmen liegt bei zwei bis 15 Jahren", sagt Oberstaatsanwalt Michael Müller.

Die Anklage sei erhoben "und wir stehen auch nicht mit leeren Händen da, wir haben als Beweis unter anderem die Handyfotos". Trotzdem. Bei der Strafzumessung spielen die Anwesenheit des Opfers und seine Schilderung der Tat eine wesentliche Rolle. Deshalb hat das zuständige Landgericht München I die Fotos der Männer freigegeben. Vielleicht erkennt "Liserl" darauf ihre Peiniger.

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SZ vom 17.03.2009/brei
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