Süddeutsche Zeitung

Streetwork:Mehr Aufmerksamkeit

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Das stadtteilorientierte Streetwork-Angebot für junge Menschen im Alter zwischen 14 und 27 Jahren soll deutlich ausgeweitet werden. Voraussetzung ist die Zustimmung der Vollversammlung des Stadtrates an diesem Mittwoch

Von Ellen Draxel, München

Der Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrates ist dem Vorschlag des Stadtjugendamtes gefolgt, die bislang 24 Vollzeitstellen für Streetworker von 2016 an auf 29 Stellen zu erhöhen. Sosoll das stadtteilorientierte Streetwork-Angebot für junge Menschen im Alter zwischen 14 und 27 Jahren ausgeweitet werden. Durch diesen Ausbau, erklärt Sozialreferentin Brigitte Meier, werde "erstmalig eine nahezu flächendeckende Betreuung durch Streetwork in München erreicht". Beschlossen wurden außerdem zusätzliche Räumlichkeiten, die Anschaffung eines neuen Streetwork-Busses und mehr Geld für Aktivitäten der Streetworker mit ihren Schützlingen. Von der Aufstockung, die einmalig rund 584 000 Euro und später jährlich etwa 93 000 Euro kosten soll, profitieren mehrere Viertel. Voraussetzung ist, dass die Vollversammlung an diesem Mittwoch dem auch zustimmt.

Die Aufstockung ist aus Sicht des Sozialreferates und der Bezirksausschüsse dringend nötig. Zum einen, weil die jugendliche Bevölkerung in München in den vergangenen zwölf Jahren um 25 Prozent von rund 192 000 auf 245 000 angewachsen ist. Derzeit muss sich ein Sozialarbeiter rein rechnerisch um 10 000 Kinder und Jugendliche kümmern. Zum Vergleich: In Hamburg sind es weniger als 6000. Zum anderen müssen immer neue Wohngebiete mitversorgt werden.

Die Sozialarbeiter erhalten aber auch neue Betätigungsfelder. Klassische Streetwork wendet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die bereits als auffällig, sozial benachteiligt oder kriminalisiert gelten und vorhandene Freizeit- und Hilfsangebote meiden. Die Sozialarbeiter betreuen sie deshalb in Parks, Fußgängerzonen oder auf öffentlichen Plätzen, wo sie sich die jungen Leute einzeln oder in Cliquen treffen. Inzwischen kümmern sich die Streetworker parallel auch um junge Flüchtlinge; sie arbeiten dort präventiv, um sozialen Konflikten im Wohnumfeld vorzubeugen und den jungen Flüchtlingen Hilfe anzubieten. Die Asylsuchenden treffen sich besonders im Umfeld der sehr beengten Erstaufnahme-Einrichtungen oft auf der Straße.

Verstärkt werden sollen Streetwork-Einsätze daher in den Vierteln Milbertshofen und Schwabing-Freimann, die nicht nur Neubaugebiete wie die Nordhaide, die Parkstadt Schwabing und die ehemalige Funkkaserne haben, sondern auch mehrere große Flüchtlingsunterkünfte wie die Bayern- und die Funkkaserne. Eine zusätzliche Dreiviertel-Stelle ist dieser Region zugedacht - ebenso wie dem Streetwork-Standort Pasing, dem die Stadtbezirke Pasing-Obermenzing, Aubing-Lochhausen-Langwied und Allach-Untermenzing zugeordnet sind. Die Region Pasing ist flächenmäßig so groß, dass beispielsweise die Siedlung am Westkreuz aus Personalmangel derzeit gar nicht bedient werden kann. Und auch dort gibt es zahlreiche Unterkünfte mit jungen Flüchtlingen, an der Landsberger Straße etwa.

Eine ganze Streetworker-Stelle will das Stadtjugendamt dem Münchner Osten mit Berg am Laim, Trudering-Riem, Ramersdorf-Perlach und Obergiesing-Fasangarten zukommen lassen. Die Sozialarbeiter engagieren sich derzeit vorwiegend in Neuperlach und der Messestadt-Riem - mit der Folge, dass für Berg am Laim und das Gebiet Am Moosfeld Kapazitäten rar sind. Für Sendling und Sendling-Westpark sowie die Stadtbezirke Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln und Hadern sieht die Planung insgesamt eineinhalb Stellen vor, einem freien Träger anvertraut. In Sendling und Sendling-Westpark gibt es noch überhaupt keine Streetworker, die anderen Viertel werden "nur in Notfällen" begangen. Dabei, so das Stadtjugendamt, seien Angebote dort "dringend notwendig": Plätze wie der Haderner Stern, der Schweizer Platz und die Gegend um die Königswieser Straße in Fürstenried-West seien "Treffpunkte für Jugendliche und Heranwachsende, die Risikomerkmale wie auffälliges oder delinquentes Verhalten" zeigten.

Auch die Suchtberatungsstelle Condrobs erhält für die Bezirke Altstadt-Lehel, Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und die Maxvorstadt eine zusätzliche Streetworker-Stelle - explizit für Jugendliche, die nicht suchtgefährdet sind. Und für junge, meist unbegleitete Flüchtlinge, die sich rund um den Hauptbahnhof treffen.

Neun feste Anlaufstellen hat das städtische Streetwork in München, außerdem gibt es einen Bus, der Regionen mit besonderem Handlungsbedarf anfährt. Doch ebenso wie beim Personal hinken auch die Räumlichkeiten dem Bedarf inzwischen hinterher. Weshalb es künftig drei zusätzliche Außenstellen geben soll: im Osten in der Messestadt Riem im Gebäude der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, im Westen im Gebiet Westkreuz/Neuaubing/Freiham und eher im Süden für die Stadtbezirke Sendling, Sendling-Westpark, Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln sowie Hadern. Angeschafft wird, so der Stadtrat zustimmt, zudem noch in diesem Jahr ein neuer Bus.

So sehr sie die Verbesserungen begrüßen, so deutlich signalisieren viele Bezirksausschüsse, dass ihnen die Aufstockung nicht weit genug geht. Das Stadtjugendamt verspricht deshalb, den Bedarf 2017 "gegebenenfalls" noch einmal zu überprüfen.

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SZ vom 21.10.2015
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