Süddeutsche Zeitung

Stream-Kritik:Macht Hoffnung

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Stefan Stoppok spielt live im Wohnzimmer

Von Oliver Hochkeppel, Hamburg

Er war einer der ersten, die es in München erwischt hat: Am 13. März wollte Stefan Stoppok sein neues Album "Jubel" im Ampere vorstellen, einen Tag vorher wurde Corona-bedingt abgesagt. Bis zum optimistisch für den 8. Juli angesetzten Nachholtermin bleibt viel Zeit. Und so gab Stoppok am Donnerstag ein kleines Stream-Konzert zugunsten des Seenotrettungs-Vereins Sea-Watch. "Weil ich es wichtig finde, dass es auch in dieser Zeit Leute gibt, die Menschen retten, die noch ganz andere Probleme haben als wir", wie Stoppok sagt.

So sitzt er mit der Gitarre zu Hause auf dem Sofa, natürlich alleine, ohne Band. Doch Stoppok kann solo, davon zeugt auch sein "Solo live"-Doppelalbum von 2005 oder sein sensationeller Auftritt vor Jahren im Volkstheater-Foyer. Selbst auf dem Bildschirm schaut und hört man ihm gerne zu, wegen seines herben Charmes, seiner unverwechselbaren Stimme und der feinen Technik an der Gitarre, bei der Leadstimme und Rhythmusbegleitung perfekt zusammenspielen. Und dann sind da natürlich noch seine Songs und ihre Texte. Die kabarettistischen lässt er der Umstände wegen aus, dafür ist das konsumkritische "La Kompostella" zu hören, alte Hits wie "Tanz" oder "Wetterprophet", das zum Anlass passende "Lass sie rein" vom neuen Album; zum Schluss "Aus dem Beton", ein Musterbeispiel für Stoppoks Kunst, aus kleinen Geschichten allgemeingültige Hymnen von Hoffnung und Aufbruch zu zimmern.

Nach gut einer halben Stunde ist alles wieder vorbei, kurz und knackig. Doch schon zwischendurch kündigte Stoppok an, dass diesem "Prototyp eines Stoppok-Wohnzimmerkonzerts" weitere folgen werden. Mit 412 Zuschauern startete die puristische Show, die Zahl wuchs bis Ende auf bis zu 570 an. Mehr also, als ins Ampere gepasst hätten. Fast 1800 Euro gingen in der Zeit aufs Konto von Sea-Eye. Alles gut also, das kann sich sehen lassen.

Hinweis: In einer früheren Fassung hieß es versehentlich, das Spendengeld sei an die Organisation "Sea-Watch" gegangen, eine in Berlin ansässige Organisation, die sich der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot im Mittelmeer verschrieben hat. "Sea-Eye", der tatsächliche Adressat der Spenden, ist eine zivile Hilfsorganisation mit Sitz in Regensburg, sie verfolgt dasselbe Ziel. Für seinen Einsatz hat die Stadt München dem Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer den Georg-Elser-Preis 2019 verliehen (siehe "Preis für Zivilcourage: Sea-Eye-Gründer ausgezeichnet" vom 16. Januar 2020). Auf der Internetseite von Sea-Eye ist das Wohnzimmerkonzert noch zu hören, die Spendenaktion läuft weiter.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2020
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