Süddeutsche Zeitung

Weißwurstheber in der Stilkritik:Helfer im Wurstrevier

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Bislang reichte eine Gabel, um die Weißwurst sicher vom Topf auf den Teller zu buxieren. Oder? Ein ambitionierter Hersteller von Küchengeräten sieht das offenbar anders - und beglückt nun den Genießer mit dem passenden Accessoire: dem Weißwurstheber.

Hermann Unterstöger

Es gibt nur wenige Würste auf Gottes weitem Erdenrund, die ihre eigene Hymne haben. Die Weißwurst ist eine von ihnen, und geschrieben hat den Text der Münchner Poet Herbert Schneider. Er beginnt so: "Du Königin im Wurstrevier, / du schön gekurvte Tellerzier, / lass dir den weißen Hermelin / von deinen zarten Schultern ziehn!"

Das An- bzw. Auszügliche daran sollte uns nicht den Blick dafür trüben, dass aus all dem nichts wird, solange die Tellerzier nicht auf dem Teller liegt, sondern dort schwimmt, wo sie am besten zum Verzehr heranreift: im heißen, aber ja nicht mehr kochenden Wasser.

Dafür, dass sie auf den Teller gelangt, hat ein ambitionierter Hersteller von Küchengeräten den Weißwurstheber erfunden. Unter einem Heber versteht man ja zunächst ein Gerät, mit dem man Flüssigkeit aus einem Behälter heben kann. So ein Heber ist hier nicht gemeint, sondern einer, den man als Schöpfer bezeichnen würde, hätte er nicht da, wo beim Schöpfer die Kelle ist, eine Aussparung. Diese Aussparung gleicht ein wenig der in dem Film "Sabrina", in die David Larrabee (William Holden) sein von Glasscherben lädiertes Gesäß hängt, hat aber hier den Sinn, der Weißwurst das Abtropfen zu ermöglichen.

Der Heber besteht aus Edelstahl 18/10 und besticht durch die ergonomische Winkelstellung seines Stiels. Was das heißt? Nun, bei Edelstahl 18/10 könnte die Wurst auf bis zu 600 Grad Celsius erwärmt werden, und bei der ergonomischen Winkelstellung fällt sie nicht so leicht vom Heber.

Ein allfälliger kulturkritischer Ansatz müsste dahin zielen, dass die Weißwurst gut 150 Jahre vom Topf zum Teller kam, ohne dass es dafür großer küchen- oder hebetechnischer Anstrengungen bedurft hätte. Andererseits zeugt das Gerät von Respekt für den ihm zugedachten Werkstoff, und letztlich ist es auch keine geringe künstlerische Leistung, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Friede also dem Weißwurstheber, dem Helfer im Wurstrevier.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2011
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