Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Stand-up-Paddler - eine Bedrohung für den Wörthsee

Lesezeit: 3 min

Menschen fahren ins Schilf hinein oder lassen ihren Müll am See liegen: Die Anwohner des Wörthsees sorgen sich um ihr Gewässer - und machen auf die Rücksichtslosigkeit der SUPs aufmerksam.

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Die Wörthseer machen sich Sorgen um ihren See. Freizeitdruck und Klimawandel machen dem etwa 20 Quadratkilometer großen Gewässer im Westen Münchens zu schaffen. Um Touristen, Ausflügler und Einheimische darauf aufmerksam zu machen, dass der Wörthsee nicht nur ein Paradies für Sport- und Freizeitvergnügen, sondern auch Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen ist, veranstaltete die Gemeinde Wörthsee an diesem Sonntag den ersten Aktionstag "Natur- und Umweltschutz am Wörthsee". "Es ist unsere Pflicht, etwas für den See zu tun, der unserer Gemeinde den Namen gegeben hat", sagte Gemeinderat Peter Hopman in seiner Begrüßung im Rathaus.

Noch ist der Wörthsee klar und sauber, "ein ökologisch und landschaftliches Juwel", heißt es in dem Film "Schilf am Wörthsee", den die Wörthseer Kulturbeauftragte Juliane Seeliger-von Gemmingen gedreht hat. Doch das Schilf ist bedroht: von Blesshühnern und Gänsen, die die jungen Triebe fressen - und von Stand-up-Paddlern und Bootsfahrern, die den vorgeschriebenen Abstand zu dem geschützten Landschaftsbestandteil nicht einhalten.

Es sei die Rücksichtslosigkeit der Menschen, die solch einen Aktionstag "sehr notwendig macht", sagte Hopmann, Menschen, die ihren Müll im und am See liegenlassen, die ins Schilf hineinpaddeln oder -fahren. Hopmann ist in Steinebach aufgewachsen, betreibt eine Segelschule mit Bootsverleih und erlebt die Entwicklung hautnah mit.

Noch vor 30 Jahren ging der Schilfgürtel um den Wörthsee herum, heute gibt es nur noch einen größeren Bestand rund um die Mausinsel. Schilf ist überlebenswichtig für Fische wie Zander, Hecht, Renke, Waller, Barsch, Karpfen und Weißfische. Sie finden im Röhricht Futter, Laichplätze und Schutz vor Räubern.

Schilf dient als "biologische Kläranlage"

Aber Schilf ist auch Lebensraum für Vögel wie Rohrdommel oder Wasserralle, Insekten wie Wildbienenoder Spinnen, Amphibien wie Ringelnattern, Frösche oder Erdkröten, aber auch Säugetiere wie die Zwergmaus, erläuterte Christiane Spießl von der Unteren Naturschutzbehörde in einem Vortrag.

Aber das Schilfrohr dient nicht nur als Heimat für Tiere und Pflanzen, es wirkt auch als "biologische Kläranlage" im See. Aus der Luft gelangt Sauerstoff über Blätter und Halm in die Wurzeln, das Rhizomsystem. Ein Teil des Sauerstoffs wird dabei von den Rhizomwurzeln an die Umgebung abgegeben.

Diese Fähigkeit fördert den mikrobiellen Abbau von organischer Substanz durch Bakterien. Spießls Fazit: Das Schilf erhalte die Artenvielfalt und verschönere das Landschaftsbild. Werden Halme aber durch Boote, SUPs oder Schwimmer abgeschnitten oder zerstört, "ertrinkt das Schilf". Man müsse am Schutzgebiet ja nicht unbedingt "vorbeibrettern", meinte Spießl.

Die Verantwortung für den Wörthsee (und den Pilsensee) haben die Eigentümer, die Grafen zu Toerring-Jettenbach. Darum war am Sonntag auch Cajetan Graf zu Toerring-Jettenbach gekommen. Seit 1963 sind die Seen an den Fischereiverein Pilsensee-Wörthsee verpachtet. Er ist zuständig für die Bewirtschaftung der Seen, kümmert sich um den Fischbestand und die Artenvielfalt, um Hege und Pflege der Gewässer sowie um Naturschutz und Landschaftspflege.

Im Film von Seeliger-von Gemmingen kommt auch der Vereinsvorsitzende Thomas Büdel zu Wort. Die Qualität der Fische im Wörthsee sei "sehr gut", sagt er. Aber: Das Flachwasser erwärm sich schneller, und die Fische wachsen nicht mehr so schnell. Umso wichtiger sei das Schilf.

Anwohner sollen Zivilcourage zeigen

Dass sich SUPs mittlerweile nicht mehr nur im Sommer, sondern auch im Winter auf dem Wörthsee tummelten, kritisierte Stefan Schilling vom Landesbund für Vogelschutz. Die Winterruhe sei vor allem wichtig für Vögel wie die Rohrdommel, die im Schilf lebten. Kommen ihnen SUPs zu nahe, werden sie aufgeschreckt, fliegen hoch und verlieren dabei so viel Energie, dass es sich auf die nächste Brut auswirken könne.

Einer Verschlechterung von Schilf und Wasser könne man nur mit mehr Rücksichtnahme entgegenwirken, meint Peter Hopman. Rücksicht nicht nur auf die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch auf die Anwohner des Sees, lautet sein Appell an die Besucher. Und die Anwohner ruft er zur Zivilcourage auf. "Traut euch etwas zu sagen, wenn Sachen nicht richtig laufen".

Der Aktionstag fand großen Anklang. Die vielen Stände von Verbänden und Vereinen, von Interessengemeinschaften und Initiativen, von Behörden und Vereinen und die Fotoausstellung von Ulrike Schmied und von Archivarin Barbara Blankenburg im Rathaus waren gut besucht, und es wurde rege diskutiert. Der Aktionstag könnte alle zwei Jahre stattfinden, sagte Juliane Seeliger-von Gemmingen, die den ersten mit der Umweltbeauftragten Barbara König-Schmidbauer organisiert hat. Nächstes Schwerpunktthema könnte das Moor sein.

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SZ vom 20.09.2021
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