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Wirtschaft und Corona:Pandemie treibt Kreative in die Armut

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Eine Umfrage der GWT zeigt, wie 417 Unternehmen aus dem Landkreis durch die Krise kommen. Besonders hart betroffen ist die Kultur- und Eventbranche

Von Jessica Schober, Starnberg

Auf die Frage, ob sich durch Corona für ihre Firma etwas Gutes ergeben habe, finden Starnberger Unternehmerinnen und Unternehmer erstaunlich vielfältige Antworten. 43 Prozent aller Befragten geben in einer Studie, die die Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (GWT) im Landkreis Starnberg jüngst durchgeführt hat, an, dass sie trotz der Krise Positives sehen können: "Schnelle Digitalisierung" und "mehr Zeit für Wesentliches" werden genannt. Aber auch der "Einsatz neuer Technologien", ein stärkeres "Wir-Gefühl und besseres Arbeitsklima", "weniger Zeit im Auto dank Video-Konferenzen" sowie mehr "Energieeffizienz". Die gefährliche Pandemie, die die Welt so fest im Griff hält und die Wirtschaft in die Schranken weist, bringt mancherorts eben doch Vorteile mit sich.

Die Studie hat die GWT Mitte September gestartet. Dafür hat Wirtschaftsfördererin Annette von Nordeck rund 1700 Unternehmen aus dem Landkreis angeschrieben, von denen 417 die Fragen beantworteten. Einen zweiten Datensatz erhob Regionalmanagerin Daniela Tewes bereits im Juni, indem sie 87 Menschen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft befragte, die größtenteils in den Branchen Design, Werbung und Kunst arbeiteten. Aus der Summe der Antworten lässt sich ein Bild zeichnen, wie Unternehmen im Landkreis Starnberg die Krise meistern. Während mancherorts Betriebsschließungen und Stellenabbau drohen, erleben andere die Pandemie als Beschleuniger von Innovationen.

Von unmittelbaren Umsatzeinbußen gehen rund 62 Prozent der Befragten aus der regionalen Wirtschaft aus. Lediglich 31 Prozent der Unternehmen vermelden keine Umsatzrückgänge. Ein Drittel der Befragten gibt an, dass die Auftragslage auch im zweiten Halbjahr 2020 "nicht gut" sei. Ein Viertel der Wirtschaftstreibenden arbeitet derzeit noch an laufenden Projekten. Einigen gelang es, in der Krise neue Geschäftsfelder zu etablieren. Immerhin erklärten 82 Prozent der Befragten, bislang keine Mitarbeitenden entlassen zu haben. Jedoch mussten rund 75 Firmen, also 18 Prozent der Befragten, Kündigungen aussprechen oder rechnen mit einem Stellenabbau.

Einen sorgenvollen Blick in die Zukunft werfen Menschen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. So geben 14 Unternehmen dieser Branche in der Studie an, nahezu 100 Prozent ihrer Umsätze verloren zu haben oder ihren Betrieb schließen zu müssen. In der Eventbranche sei mit null Aufträgen zu rechnen. Für 44 Prozent der befragten Kreativwirtschaftler ist die berufliche Existenz bedroht. Erstaunlich ist, dass nur elf Teilnehmende der Umfrage die bayerische Künstlerhilfe beantragt haben. Immerhin zwei Drittel nahmen die Soforthilfen in Anspruch.

Planungsschwierigkeiten sind für die Kreativen eines der Hauptprobleme, viele sehen eine klare Benachteiligung zu Angestellten, die Kurzarbeitergeld erhalten, und kritisieren die fehlende Lobby der Branche. Immerhin sei die Pandemie ein "Digitalisierungs-Booster", meinen 63 Prozent der Befragten, und ermögliche flexibleres Arbeiten. Online-Veranstaltungen würden Zeit, Nerven und CO₂ sparen.

Auf die Frage nach den schwerwiegendste Problemen in Bezug auf die Corona-Maßnahmen lautet eine der Antworten der Unternehmer: "dass jederzeit wieder mit einer Schließung gerechnet werden muss". Einige mussten ihre Firma mit privaten Rücklagen am Leben halten, andere fürchten die Zurückhaltung der Konsumenten bei größeren Ausgaben. Die Realität erleben die befragten Firmen sehr unterschiedlich. Befragt nach ihren Prognosen für 2021, changieren die Antworten zwischen "Immer noch im Kampf ums Überleben" und "Weiter auf der Erfolgsspur".

Interessant sind auch die Antworten auf eine der insgesamt 20 Fragen, die Annette von Nordeck den Firmen stellte: "Was soll für Ihr Unternehmen nach Corona weiterhin bleiben?" Da reichen die Antworten von "Kein Händeschütteln aller Besucher" bis hin zu "regionales Einkaufen", "Plexiglasscheiben" und "mehr Zeit für die Familie". Ein anderer Befragter antwortet schon fast lakonisch: "Es wird kein 'nach Corona' geben".

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Quelle:
SZ vom 27.10.2020
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