Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Zwischen "Gut" und "Ungenügend"

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Seit der Landkreis Starnberg das in die Jahre gekommene Gymnasium Tutzing übernommen hat, ist vieles schon geschehen. Bis jedoch der Sanierungsstau der Schule beseitigt ist, werden noch viele Jahre vergehen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Die meisten Schüler haben am Freitag ihre Zwischenzeugnisse erhalten. Ein halbes Jahr unter schwierigen Bedingungen geschuftet - genauso geht es dem Landratsamt, das zum 1. August das Tutzinger Gymnasium als etwas verlottertes Schulkind aufgenommen hat. Die Gemeinde Tutzing musste ihre bis dato kommunale Schule mangels Geld ziehen lassen. Welche Noten geben nun Schulleitung und Elternschaft den Anstrengungen des Landkreises, den Sanierungsstau in Tutzing abzubauen und das Gymnasium modern auszustatten? Wie sieht die Entwicklungsperspektive aus? Und wie zufrieden ist man mit der Kommunikation?

Mit einer Einzelnote lässt sich Direktor Andreas Thalmaier Zeit. Der als besonnen geltende Schulleiter holt erst einmal lieber zu einem längerem "Wortgutachten" aus. Klar könne man sich wünschen, dass in einer Woche ein "Traumschloss dasteht", sagt er, und manche fragten, "warum dauert das alles so lang". Er sehe aber, dass in sieben Monaten "viel abgehakt" wurde. Da war die Bestandsaufnahme des baulichen und technischen Zustands im über ein Jahrhundert lang gewachsenen Gebäudekomplex rund um die denkmalgeschützte Kalle-Villa, die Untersuchung von Flachdächern und Brandschutz, die Analyse etwaiger Schadstoffe in der Gebäudesubstanz, der Zustand der elektrischen und IT-Anlagen - die Schulverwaltung im Landratsamt unter Leitung von Stefanie Daut habe mit Bautechnik-Teams alles genau unter die Lupe genommen. Für Fleiß gibt's daher ein "Gut", für Teamgeist ein "sehr gut". Denn, so Thalmaier, alle Akteure säßen konstruktiv an einem Tisch. Das Schulforum mit Vertretern von Schulleitung, Schülern, Eltern und Landratsamt treffe sich regelmäßig, "es arbeitet sehr gut zusammen".

Einig sind sich Schule und Landratsamt beim Sorgenkind Turnhalle: Das Flachdach ist seit Jahren undicht, provisorisch wurde es noch unter Regie der Gemeinde mit Folie abgedichtet. Es gilt als nicht mehr sanierbar. Ein Notdach ist jetzt im Gespräch, vor allen anderen Sanierungsschritten. Der marode, abgesperrte Balkon der Kalle-Villa, auf dem früher Schüler-Gruppenfotos entstanden? "Still the same" bedauert Thalmaier. Eine Messuntersuchung wünscht er sich zur Feinstaubproblematik im Lehrerzimmer. Dort stehen Computerarbeitsplätze für Lehrer, direkt neben zwei Kopierern.

Auch den künftigen Raumbedarf hat das Landratsamt abgefragt. Der sei aber schwierig zu prognostizieren, sagt Thalmaier. Er rechnet damit, dass das künftige Gymnasium in Herrsching 13 Prozent der Schüler von Tutzing abziehen wird. Langfristig soll das neusprachliche und wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium in Tutzing, das 771 Schüler hat, aber dreizügig laufen - mit 80 Eingangschülern jährlich. Die Lehrerschaft hat Thalmaier zufolge bereits signalisiert, sich für Schüler von der 10. Klasse an ein flexibles Raumkonzept vorstellen zu können. "Wir lassen uns überraschen, welche Ideen Architekten mit dem Bestand entwickeln", äußert Thalmaier erwartungsvoll. Seine Beurteilung zum jetzigen Stand: "Gesamtnote Gut".

Nicht so positiv bewertet Karl Kolmsee, seit Oktober Vorsitzender des Elternbeirats am Gymnasium, die Lage. Für einzelne Verbesserungen, etwa im Digitalen, gibt er Note 2, auf großer Linie aber "ungenügend". Etwa, was die Transparenz des Landratsamtes gegenüber Eltern und Schülern betrifft. Der lange Planungshorizont der Behörde stoße bei Eltern auf Unverständnis. Tatsächlich ist vom Landratsamt zu erfahren, dass jetzt nach der Grundlagenermittlung erst "Planer-Machbarkeitsstudien" beabsichtigt seien, die als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen und die Finanzierbarkeit dienen sollten. "Erst später wird dann, im Sinne einer optimalen Projektabwicklung und mit dem Ziel möglichst geringer Beeinträchtigung des Schulbetriebes, ein Ablauf der Baumaßnahmen festgelegt." Heißt: Turnhalle, Kalle-Villa, Nord- und Südbau werden nicht gleichzeitig in Angriff genommen. Während einzelner Bauphasen müssen die Schüler wohl in Container ziehen. Zukunftsmusik. Elternsprecher Kolmsee hofft jetzt zunächst, "dass die Schule nicht unter Corona-Sparmaßnahmen leiden muss." Immerhin hat der Landkreis im diesjährigen Haushaltsjahr 1,4 Millionen Euro unter anderem für Planungskosten, Unterhalt und IT eingeplant.

Kolmsee verbucht das als Erfolg für den zähen Kampf der Eltern für bessere Ausstattung. 24 Leihlaptops gibt es inzwischen, auch eine schnelle Glasfaseranbindung und eine vorkonfigurierte Netzwerklösung samt Filter für den Jugendschutz, um den Unterricht zu gestalten. Die informationstechnologische Ausstattung sei aber "nicht zeitgerecht", räumt die Schulverwaltung ein. Aktuell werde untersucht, wie modernisiert werden könne, ohne vor der Generalsanierung zu viel "verlorene Kosten" zu generieren.

Wann die Schule dann die Note Eins verdient? Eine Aussage dazu, heißt es vom Landratsamt, sei derzeit nicht möglich. Elternbeirat Kolmsee spannt den Bogen der Erwartungen bis zum Abitur seiner jüngsten Tochter: "Ich gehe davon aus, dass sie eventuell noch vom Abschluss der Baumaßnahmen profitieren wird. Sie ist jetzt in der 3. Klasse." Und Schulleiter Thalmaier setzt noch eins drauf: "Vielleicht erlebe ich das bis zu meiner Pensionierung." Der Direktor ist gerade mal 54 Jahre alt.

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SZ vom 06.03.2021
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