Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Zu wenig Schläfer für Prädikat "Erholungsort"

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Tutzing verfehlt den Nachweis von 70 000 Übernachtungsgästen und kommt so auch nicht zu einer Ortstaxe. Bürgermeisterin kritisiert mangelnde Kooperation von Ferienwohnungs-Vermietern

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Seit drei Jahren wird gezählt und gezählt und nochmal gezählt - aber es sind einfach zu wenig Übernachtungsgäste in Tutzing nachweisbar, um das angestrebte Prädikat "Erholungsort" überhaupt nur beantragen zu können. Etwa 70 000 Gästeübernachtungen müssten es nach den Vorgaben des Bayerischen Innenministeriums für einen Ort mit knapp 10 000 Einwohnern wie Tutzing sein. 2018 kam man allerdings mit Hotels, Pensionen, den beiden Akademien und dem Kloster der Missions-Benediktinerinnen, die auch an Feriengäste vermieten, nur auf knapp über 50 000 Übernachtungen, 2019 waren es um die 45 000. Und in diesem Corona-Jahr gelten die Zahlen gleich gar nicht als maßgeblich. Die Vermieter von 16 Ferienwohnungen könnten den Ausschlag geben. Die weigern sich jedoch, auf Bitte des Rathauses mitzuteilen, wie viele Gäste bei ihnen logiert haben. Tatsächlich läuft die Auskunft auf rein freiwilliger Basis. Warum die Zurückhaltung? Zu hören ist, dass Konkurrenzdenken eine Rolle spielt. Manche wollen sich nicht gern in die Karten schauen lassen, wie viel sie vermieten. Bürgermeisterin Marlene Greinwald (FW) äußerte jüngst im Hauptausschuss ihr Unverständnis: "Ich finde es eigenartig, dass unsere Vermieter uns zum Teil boykottieren." Denn nicht nur der Ort würde von dem Prädikat profitieren, indem es erlaubt eine Ortstaxe zu verlangen. Die könnte immerhin einen fünfstelligen Betrag in die Kasse spülen, rechnete Tourismusreferent Wolfgang Behrens-Ramberg (Tutzinger Liste) vor. Jeder im Tourismusgeschäft hätte etwas davon. Für einen "Erholungsort Tutzing" könnte die landkreisweite Gesellschaft für Wirtschaft- und Tourismusentwicklung (GWT) Räume mieten und Halbtagskräfte anstellen. Das würde die seit über zehn Jahren ehrenamtlich geführte Touristen-Information im Vetterlhaus entlasten. In den Räumen ließe sich auch ein Kartenvorverkauf unterbringen.

Weil die offiziellen Übernachtungszahlen nicht reichen, will Tutzing jetzt erst gar nicht Klima- und Luftgutachten einholen, die mit bis zu 3000 Euro veranschlagt werden und nur zwei Jahre gültig sind. Die Verwaltung zum mühseligen Abtelefonieren der vielen kleinen Unterkünfte abstellen will die Rathauschefin auch nicht so bald wieder. In Nachbargemeinden gäbe es jeweils nur ein paar Betriebe, da gehe das einfacher, spielte sie auf Bernried an. Greinwald setzt nun ihre Hoffnung auf größere Hotelneubauten - geplant sind Ressorts am Seehof-Areal und nahe dem Bahnhof. Gleichzeitig will man beim Fachausschuss im Innenministerium nachhaken, ob die fehlenden Meldungen der Ferienwohnungsvermieter geschätzt werden dürften. Spätestens im Mai 2021 soll das Thema wieder auf die Tagesordnung

Enttäuscht äußerte sich auf Nachfrage Kristina Danschacher, Vorsitzende des Fördervereins für Tourismus in Tutzing. Für sie ist das Ziel "Erholungsort", das sie angeregt hatte, damit "eigentlich gegessen, schade". Danschacher war 2018 davon ausgegangen, dass die 36 Ferienwohnungsbesitzer mit ein bis zwei Wohnungen im Durchschnitt 30 Wochen mit sieben Übernachtungen für mindestens zwei Personen belegt sind. Damit wäre womöglich die Hürde von 70 000 Übernachtungen zu schaffen gewesen. Dass nicht jeder scharf auf das Prädikat ist, habe der Verein aber schon erfahren. Denn es bedeute Mehrarbeit: Die Vermieter müssten leere Betten melden und für die Gemeinde die Ortstaxe eintreiben, von der sie dann selbst aber nichts hätten.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2020
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