Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Opfer eines Ehekriegs

Lesezeit: 3 min

Frau muss sich vor Gericht verantworten, weil sie mit einem Holzscheit nach ihrem Mann warf - aus Notwehr, wie sich zeigt

Von armin greune, Tutzing

Diese Ehe ist wohl für beide die Hölle gewesen. Regelmäßig kam es zwischen der heute 29-jährigen Frau und ihrem ein Jahr jüngeren Mann zu heftigen Auseinandersetzungen, die auch in Handgreiflichkeiten ausarteten. Mehrmals musste die Polizei eingreifen, doch die letzte Konsequenz wollte die junge Mutter lange nicht ziehen. Einen schon ausformulierten Antrag auf Kontaktsperre unterschrieb sie schließlich doch nicht, sagte sie nun unter Tränen vor Gericht: "Ich wollte doch, dass er weiter regelmäßig unsere Tochter sieht." Immer wieder sei sie auch davor zurückgeschreckt, Gewaltexzesse ihres Partners anzuzeigen. Diese Hemmungen hatte ihr Mann offenbar nicht: Nachdem seine Frau einen Holzscheit nach ihm warf und er dabei einen Nasenbeinbruch erlitt, leitete er gegen sie eine Strafverfolgung ein.

Deshalb musste sich die 29-Jährige nun wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Starnberg rechtfertigen. Im März 2014 soll sie nach einem lautstarken Wortwechsel im gemeinsamen Haus ihren Mann mit einer Reihe von Gegenständen beworfen haben, so hieß es zumindest in der Anklageschrift: Mit einer Buddha-Statue habe sie ihren Mann am Kopf, mit einer Holzschale am Arm und mit dem Holzscheit im Gesicht getroffen. Weiter wurde sie beschuldigt, sie habe vier Wochen später versucht, dem Ehemann mit einer schweren Glasflasche auf den Kopf zu schlagen: Der 28-Jährige konnte die Attacke zwar abwehren, erlitt aber Schnittwunden am Arm sowie blutige Kratzer am Hals und im Gesicht. Für die Angeklagte stand einiges auf dem Spiel: Sie musste mit einer Freiheitsstrafe rechnen, denn das dreijährige Ehedrama hatte ihr bereits zwei Vorverurteilungen mit Geldstrafen eingetragen. Einmal weil sie ihrem Mann ihr Auto überließ, obwohl der keinen Führerschein besaß. Das andere Mal wegen falscher Verdächtigung, nachdem sie ihren Partner zunächst wegen angeblicher Misshandlungen belastet hatte, die Anschuldigungen jedoch wieder fallen ließ und auf einen Strafbefehl des Gerichts nicht reagierte.

Auch nach den wüsten Streits vor zwei Jahren verzichtete die 29-Jährige auf eine Gegenanzeige. An den Beschuldigungen ihres Mannes aber sei das meiste "frei erfunden", sagte sie vor Gericht. Sie habe ihn weder mit Statue noch mit Schale attackiert, den Holzscheit habe sie nur zur Selbstverteidigung geworfen: "Es war Notwehr, ich hatte wirklich Todesangst." Ihr Mann hab sie zuvor gewürgt, zu Boden geworfen und "mindestens fünf Mal mit dem Fuß gegen den Kopf getreten", gab sie an. Und die Wasserflasche habe sie nicht mal angehoben, die sei nur zersprungen, weil ihr Mann sie samt Gefäß gegen die Wand gepresst habe.

Bevor der 28-Jährige vortrat, musste ihn Richterin Christine Conrad belehren: Er dürfe die Aussage verweigern, wenn er sich damit selbst belaste, habe aber zudem als Noch-Ehemann der Angeklagten das Recht auf Zeugnisverweigerung. Daraufhin erklärte der 28-Jährige, dass er keine Angaben machen wolle. Weil keine Zeugen die Exzesse beobachtet hatten, plädierte selbst der Staatsanwalt auf Freispruch: Die Notwehrlage sei nicht zu widerlegen.

Auch wenn das Paar seit den Vorfällen vor zwei Jahren getrennt lebt, dauert die Tragödie weiter an. Immer wieder komme es wegen des Umgangsrechts für die dreijährige Tochter zum Streit, sagte die Mutter aus: "Er will keine Verantwortung übernehmen." Selbst ihr Bruder wurde wegen des Ehekriegs vor Gericht zitiert: Ihn hatte der 28-Jährige angezeigt, weil der Schwager angeblich gedroht hatte, ihn "in die ewigen Jagdgründe zu schicken". Schon dieser Begriff sei dem Angeklagten völlig fremd, wandte der Verteidiger ein, sein Mandant habe stattdessen "Jagdhunde" verstanden. "Ein Täter versucht, Opfer zu Tätern zu machen", meinte der Anwalt. Da aber der 28-Jährige auch nicht gegen seinen Schwager aussagen wollte, gab es auch in diesem Prozess einen Freispruch.

Die 29-Jährige lebt noch immer in der Wohnung in der Gemeinde Tutzing, die das Paar gemeinsam gekauft hat. Deshalb hat auch der Mann zum Leidwesen der Frau noch einen Schlüssel, und es komme zu ebenso unerwarteten wie unliebsamen Begegnungen, sagte sie. "Die Immobilie gehört schon der Bank, das Vollstreckungsverfahren läuft", ergänzte ihr Anwalt. Nach langem Warten hat die Frau nun eine Sozialwohnung in Aussicht: "Im September ziehe ich aus, ich hoffe nur, dass wir mit der Scheidung endlich Ruhe voneinander finden".

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SZ vom 10.08.2016
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