Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Gefährliche Begegnungen

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Bei der Tutzinger Bürgerversammlung geht es um die Sicherheit der Schulkinder auf der Hauptstraße. Ob Tempo 30 oder Radfahrstreifen die bessere Lösung sind, ist noch nicht entschieden

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Wie bekommt man den zum großen Teil hausgemachten Autoverkehr im Ortszentrum in den Griff? Wann gibt es endlich eine offene Jugendarbeit? Und was tut sich in Sachen Seehof und den Rechtsstreitigkeiten mit dem früheren Bürgermeister Stephan Wanner? Zu diesen Themen wollten Tutzinger auf der Bürgerversammlung am Mittwoch im Roncalli-Haus Näheres wissen. Die knapp einstündige Aussprache verlief ruhig und sachlich, mehrfach erhielt die Rathausverwaltung aus den Reihen der knapp 100 Besucher Dank für ihre Arbeit in diesem Jahr.

Was für ein schwieriges Jahr es gewesen ist, machte eingangs die amtierende zweite Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (CSU) deutlich. "Es fällt mir wirklich nicht leicht, heute hier in Vertretung unseres verstorbenen Bürgermeisters zu stehen", erinnert sie sichtlich bewegt an Rudolf Krug (ÖDP), der im August seiner schweren Krankheit erlegen war. Die Versammlung gedachte auch des verstorbenen FDP-Gemeinderat Hellmut Kirchner.

In ihrem Rechenschaftsbericht hob Dörrenberg hervor, wie viele Projekte Krug in seiner kurzen Amtszeit von nur drei Jahren initiiert habe. So konnte er dieses Jahr noch die Fertigstellung von Waldorf- und BRK-Kindergarten auf der Rotkreuzalm erleben. Mittendrin steckt man in der 2016 begonnenen, überfälligen Sanierung der Mittelschule. Neue Sanitäranlagen und Heizung sind drin. Die Begehung zu Brandschutz und Statik im Alten Lehrerhaus hatte aber ungeahnte "Nachwirkungen", so Dörrenberg. Weil statische Nachweise aus den zahlreichen Baumaßnahmen zwischen 1915 und 1990 fehlten, gilt ein Nutzungsverbot. Wann das Gebäude wieder freigegeben wird, ließ sie offen.

Als weitere "Sorgenkinder" nannte die kommissarische Amtschefin die Brunnen-Havarie in Kerschlach, als im Frühjahr die Pumpe ausfiel und in einem dreitägigen Großeinsatz ausgetauscht werden musste; die schwierige Verwirklichung von Einheimischenmodellen, weil in Tutzing kaum Grund zu bekommen sei, da sich- wie in einem aktuellen Fall - die Erschließung nicht gewährleisten lasse. Als positive Nachricht kündigte sie die Einrichtung eines weiteres Kinderhorts an der Hallberger Allee an, würdigte den enormen Einsatz hunderter Ehrenamtlicher für das "Mordsfestjahr" 1275 Jahre Tutzing samt Fischerhochzeit und skizzierte eine solide Finanzlage der Gemeinde mit einem Haushalt von 28,3 Millionen Euro.

Nur wenig tat Dörrenberg zum Thema "Sanierung der Hauptstraße" kund. Sie verwies auf das nächste öffentliche Bürgerforum am 17. Februar. Die Grobplanung stehe, Abstimmungsrunden mit Fachbehörden, Arbeitskreis und Bürgerforen hätten stattgefunden. Doch die Kamerabefahrung des Untergrunds sei noch nicht abgeschlossen und ausgewertet. Daher würden die Bauarbeiten für den ersten südlichen Abschnitt jetzt frühestens im Juli 2018 beginnen und bis August 2019 dauern. Der Zentrumsabschnitt sei von September 2019 bis Dezember 2020 terminiert, der nördliche Bereich von März 2021 bis Dezember 2022. Ihr erklärtes Ziel: "Alle Verkehrsteilnehmer sollen sich sicher bewegen können."

Florian Schotter (CSU)

Marlene Greindwald (FW)

Bernd Pfitzner (Grüne)

Auf die Frage von Gymnasiums-Direktor Bruno Habersetzer, wie die Gemeinde denn nun zu Tempo 30 in Haupt- und Bahnhofstraße stehe, verwies Dörrenberg auf die Gemeinderatssitzung kommenden Dienstag ab 19 Uhr. Da werde es darum gehen abzuwägen, ob Tempo 30 oder Radschutzstreifen die bessere Variante für Radler seien. Beides gehe jedenfalls nicht.

Deutlich wurde in der Debatte, dass vor allem die "Elterntaxis" vor den Schulen täglich Chaos und Gefährdung verursachen. Eltern parkten im absoluten Halteverbot und sausten sogar noch mit den Kindern über die Straße. Lehrerin Susanne Hecht appellierte, den Ort "so zu gestalten, dass man sich traut, die Kinder allein zu schicken." Autofahren sollte sich aufs Notwendigste beschränken. Ein Vater lobte, dass Kinder in der Grundschule einen Stempel erhalten, wenn sie zu Fuß kommen.

Wenig Hoffnung machte Dörrenberg einem Anlieger, der eine Umgehung Tutzings anmahnte. Das sei wegen der Landschaftsschutzgebiete nicht zu erwarten. Man setze auf öffentliche Busse und weniger Verkehr. "Vielleicht entdecken die Leute, dass es komisch ist, mit dem Auto zum Fitnessstudio zu fahren und da aufs Laufband zu gehen", merkte die Bürgermeisterin unter Applaus an. Claus Piesch, Vorsitzender des Kreisjugendrings, erinnerte an die immer noch nicht besetzte Stelle für einen Jugendpfleger und den schon lange geforderten offenen Jugendtreff, "wo Jugendliche hingehen können, wenn sie gerade lustig sind". In den anstehenden Haushaltsberatungen soll es auch darum gehen, versprach Dörrenberg. Auf eine Frage nach dem Stand der Auseinandersetzung mit dem "Rechthaber-Bürgermeister", gemeint war Stephan Wanner, wollte sie wegen des laufenden Verfahrens keine Aussage machen. Auch zum Seehof gab's nichts Konkretes. Gespräche seien zwar vorgesehen. Doch dieses "Prestigeprojekt für Tutzing" soll nach Dörrenbergs Wunsch der neue, künftige Bürgermeister anpacken.

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SZ vom 01.12.2017
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