Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Das Wesen der Dinge

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Reiner Wagner stellt seine "Seelenlandschaften" in Tutzing aus

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Der Künstler Reiner Wagner liebt die Voralpenlandschaft, die Spiegelungen im Starnberger See, die sich oft stündlich ändern, den Blick in die Berge. Und wenn ihm diese liebliche Landschaft zu viel wird, dann stellt er sie in seinen Bildern stark reduziert, manchmal auch leicht abstrahiert dar. "Das ist ja das Schöne, der Maler kann einfach etwas weglassen", sagt er. Seine Ölbilder und Aquarelle sind derzeit in der Rathaus-Galerie von Anne Benzenberg in Tutzing zu sehen.

Wagners Gemälde sind realitätsnah. Die Bootshütten in Ambach, der Blick von einer Anhöhe über den See oder von seinem Wohnort Pischetsried in die Berge - jeder Einheimische erkennt sofort das Motiv und von welchem Blickwinkel aus es gemalt wurde. Dennoch sind die Bilder weit entfernt von fotografischer Genauigkeit. Gehöfte, Stadel oder Bootshütten sind fest umrissen, aber stark vereinfacht. Die reine Abbildung sei langweilig, sagt Wagner. Die Landschaft dient dem Künstler lediglich als Vorwand, um zum Wesen der Dinge vorzudringen, ganz nach dem Motto von Paul Klee "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht es sichtbar".

Wagner, der an der Kunstakademie München sowie an der Hochschule der bildenden Künste in Berlin studiert hat, kommt es nicht auf Inhalte an. Die Wirkung der Farben ist ihm wichtig, die Hell-Dunkel-Schattierungen und wie sie sich verändern je nach Lichteinfall, Wetter oder Tageszeit. Diese Stimmungen hält der Künstler fest in ruhigen Farben von intensiver Leuchtkraft. Für den Himmel wird die Leinwand rosa untermalt, seine zahlreichen Winterbilder sind mit roter Farbe unterlegt. Dadurch ist der Schnee nicht einfach weiß, er hat viele Töne. Mit viel Liebe zum Detail arbeitet Wagner den ersten Neuschnee heraus oder den schmelzenden Schnee im Frühling, bei dem schon die braune Erde durchscheint.

Seine Landschaftsbilder von Korsika - er lebte dort von 1965 bis 1969 und besucht die Insel auch heute noch mehrmals im Jahr - sind von mediterran-lockerer Fröhlichkeit. Diese Sorgsamkeit beim Herausarbeiten der Farbschattierungen steht im Gegensatz zur verfremdeten Darstellung. Das erzeugt Spannung. Nicht was das Bild darstellt, sondern wie es gemacht ist, sei ausschlaggebend, sagt Wagner. "Bei Iffeldorf" beispielsweise hat der Künstler den Bergblick aus drei verschiedenen Perspektiven komponiert.

Wie seine älteren Werke zeigen, hat sich die Arbeitsweise des Künstlers gewandelt. Das Stillleben mit Flasche aus dem Jahr 1993 wirkt statisch in seiner Detailgenauigkeit. Heute versucht Wagner, das Wesen der Dinge auch in den Gegenständen zu erkennen. Wie Paul Cézanne ist Wagner überzeugt davon, dass Gegenstände nicht aufhören zu leben. Stillleben malt der Künstler zu Übungszwecken. Die Gegenstände werden nicht arrangiert, sie werden mit locker-leichtem Pinselstrich dargestellt, wie sie gerade daliegen. Dadurch entstehen Bilder voller Licht und intensiver Bewegung. Wagners Themenschwerpunkt jedoch bleibt die Landschaft, die er ebenso, wie die Stillleben im Atelier auf seinem Bauernhof in der Nähe von Sankt Heinrich malt. Als Vorlage benutzt er Fotos, Skizzen oder Aquarelle. Er male "Seelenlandschaften", die das Gefühl des Malers, aber auch des Betrachters ausdrücken, sagt Wagner. Da wolle er nicht gestört werden.

Wagner stellt nur noch selten in der Region aus. Seit seinem Zerwürfnis mit einer renommierten Galerie in München, mit der er mehr als 30 Jahre zusammengearbeitet habe, orientiere er sich in Richtung Norden, stelle in Köln oder Karlsruhe aus, erklärt er.

Die Ausstellung in der Galerie am Rathaus in Tutzing ist noch bis 10. Juni zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017
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