Süddeutsche Zeitung

Tassilo:Kopf aus Holz, Herz aus Stahl

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16 Kunstwerke sind auf dem von Johannes Englmeier und Juliane Seeliger-von Gemmingen betreuten Skulpturenweg zu entdecken. Bisher erstreckt sich die Route von der Rossschwemme bis Steinebach, irgendwann führt sie vielleicht um den ganzen Wörthsee herum

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Von der großen Esche am Ufer des Wörthsees ist nur noch ein Stumpf übrig. Er dient den Großen als Tisch für Cappuccino oder Pizza, den Kleinen als Kletterbaum - und als Sockel für ein Kunstwerk. Die Büste darauf ist aus Eschenholz, der Trubel um sie herum macht ihr nichts aus. Sie schaut auf den See, und es stört sie auch nicht, wenn sie angefasst wird. Wenn Eltern des Bairischen mächtig sind, können sie ihren Kindern erklären, was griabig heißt, denn "Griabig" heißt die Skulptur von Hans Hauzenberger, die am Badeplatz Birkenweg in Steinebach steht. Im öffentlichen Raum, sichtbar und quasi begreifbar für jeden, der sich einlässt auf Kunst am Wegesrand. Eine Kunstausstellung unter freiem Himmel zu bieten, ist das Anliegen des Vereins "Skulpturenweg Wörthsee", der sich 2019 gegründet hat.

Treibende Kräfte sind Johannes Englmeier und Juliana Seeliger-von Gemmingen, beide 54 Jahre alt. Er: Koch, Caterer, Künstler. Sie: Leiterin der Wörthseer Bücherei, Medienexpertin, Kulturbeauftragte, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde. Die Idee zum Skulpturenweg hatten Johannes Englmeier und Andreas Huber vor vier Jahren. Weil Wörthsee mehr Kunst vertragen könne, weil Kunst Menschen verbinde und sie über die Kunst ins Gespräch kämen. Und weil ein Skulpturenweg Künstlern aus der Region eine Plattform bieten könne. Ein Vorgeschmack darauf waren die sieben "Fremdlinge" aus Corten-Stahl und Recycling- Materialien von Englmeier, die 2017 am Schlittenberg in Steinebach aufgestellt wurden. Heute stehen drei von ihnen an der Mündung des Auinger Bachs am Birkenweg.

Vom "Angelhakenherz" von Axel Wagner am Badeplatz Rossschwemme in Walchstadt bis zu den "Fremdlingen" reihen sich Kunstwerke. Die zentnerschweren Stahlkugeln an der Seepromenade und am Grundlerhof sowie das "Laudemium" - 29 stählerne Karren hinter dem Rathaus - von Ute Lechner und Hans Thurner sind genauso wenig wie Helga Bäumlers bunte "Holzköpfe" zu übersehen. Andere Plastiken dagegen wirken auf den ersten Blick eher unscheinbar, weil sie sich natürlich in die Umgebung einfügen wie die Betonfiguren "Begegnung im Park" der Breitbrunner Künstlerin Marianne Schweigler, die neben der Trauerweide am Badeplatz Seglerweg positioniert sind.

Momentan steht nur eine Säule da, die andere ist oder wurde umgestürzt und muss repariert werden. Und neu gemacht werden muss eines der drei "Zeichen 282 ½" des Greifenberger Künstlers Axel Wagner. Es wurde geklaut. Die "Mikados" am Rathaus sind das Werk von Grundschulkindern. Diese Fläche möchte der Verein als Wechselstellplatz anbieten für Kunstprojekte von Schülern. Darum kümmert sich Vereinsmitglied Tanja Schmalzl. Die Grafikerin betreibt in Wörthsee ein Kinderkünstlerstudio, wo sie in normalen Zeiten Kreativkurse anbietet.

Aber der Verein hat noch viel mehr Ideen für die Zeit nach der Pandemie: "Aktionen, Führungen, Kunstwanderungen, Workshops", sprudelt es nur so heraus aus Juliane Seeliger-von Gemmingen. Viel Arbeit für einen Verein, der bisher nur acht Mitglieder hat. Über Neuzugänge würde man sich freuen, ebenso über Sponsoren oder Paten, denn die Kosten für Transport und Aufstellen der Objekte übernimmt der Verein, sagt Johannes Englmeier. Die Skulpturen sind Leihgaben.

16 Kunstwerke stehen am Skulpturenweg Wörthsee. Fertig ist die Galerie unter freiem Himmel nicht. "Wir haben noch viel Platz", sagt Seeliger-von Gemmingen. Bis zum S-Bahnhof Steinebach hinauf kann sie sich weitere Standorte vorstellen - und irgendwann führt der Skulpturenweg Wörthsee vielleicht um den ganzen See herum. Noch im Mai sollen im kleinen Park gegenüber vom Rathaus zwei Büsten von Karin Heilmeier aus Walchstadt aufgestellt werden. Der Raistinger Bildhauer Max Mierlach arbeitet an einer viereinhalb Meter großen Spindel für den Skulpturenweg, erzählt Seeliger-von Gemmingen. Weitere Künstler aus der Region, die mitmachen wollen, sind willkommen. Und wenn doch einmal Sonne, Stürme oder zu viele Kinderhände eine Skulptur zerstören? "Kunst vergeht, dann ist wieder Platz für Neues", sagt Juliane Seeliger-von Gemmingen.

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SZ vom 05.05.2021
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