Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Jeden Tag eine gute Naht

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Nepomuk Schreiber hat ein ungewöhnliches Hobby für einen 16-Jährigen. Er sitzt liebend gern an der Nähmaschine - für den guten Zweck.

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Ein 16-Jähriger, der leidenschaftlich gern näht? Nepomuk Schreiber lacht bei dieser Frage. "Das mach' ich schon lang." Der Tutzinger rattert an der Maschine, seit er mit 13 im Keller eine alte "Pfaff" fand. Auf der flickte Vater Florian Schreiber früher Segel und Gleitschirme. Über Youtube und soziale Netzwerke schaute sich der Schüler ab, wie man einfädelt, die Fadenspannung einstellt und gerade Nähte hinbekommt. Das Quilten für sein erstes großes Werk - einer zwei mal 2,50 Meter großen Patchworkdecke - zeigt ihm Ulrike Stadler, die lange einen beliebten Handarbeitsladen in der Hallberger Allee geführt hat. Über Tutzing hinaus ist "der Nepomuk" spätestens seit seiner Masken-Aktion im Frühjahr 2020 bekannt.

Kurz nach Corona-Ausbruch sammelte er meterweise Baumwollstoffe, animierte ein Team von Mitnäherinnen und stellte 1500 Masken her, unter anderem in einem Raum der Alten Post in Pähl, die kurzerhand zum Nähatelier umfunktioniert wurde. Einen Teil der Masken, versehen mit Spezialvlies, übergab er kostenlos bedürftigen Einrichtungen; Spendeneinnahmen von 1100 Euro überreichte der Schüler an zwei Kinderhilfsvereine. Jetzt arbeitet der junge Tutzinger an einem neuen Projekt: Er will hunderte bunte Stofftaschen produzieren. Sie sollen einer Einrichtung für krebskranke Kinder zugute kommen. Dazu bittet Nepomuk um Stoffspenden.

Längst konnte er die alte "Pfaff" gegen eine moderne Janome Skyline S 5 austauschen, ein Ferrari unter den Nähmaschinen mit automatischer Fadenspannung, elektronischer Fadenschere und LED-Beleuchtung. Mit der hat er schon einen Prototyp seiner Taschen am Nähplatz im Keller produziert, ein Modell aus blau-rosa-weißem Blumenmuster mit Trägern. Die 40 mal 45 Zentimeter großen Sackerl lassen sich vielseitig verwenden. Auch die ersten Angebote von größeren Mengen an Baumwollstoffen sind bei ihm eingetrudelt. "Ich fahr' da mit dem Fahrrad hin und schau' mal, was ich brauchen kann", sagt der Schüler, der die Fünfseen-Schule in Starnberg besucht. Unterrichtsmäßig sei da momentan "nicht so viel los", er habe Zeit und wolle was Sinnvolles tun. Diesmal will er die Aktion aber etwas ruhiger angehen als die "Maskensache". Zwölf bis 16 Stunden schuftete er da letztes Frühjahr zum Teil täglich an der Nähmaschine. "Ich hab' einen Bandscheibenvorfall bekommen, das war zu viel", hat er die Erfahrung gemacht. Auch mit der Lunge hat er Probleme. Er peilt jetzt etwa 200 Stofftaschen bis Jahresende an.

Auch Barbara Schreiber muss ihren Sohn hin und wieder bremsen: "Der macht so viel, da kommt man gar nicht hinterher." Sie erzählt, dass er kiloweise Marmelade einkocht, Karten bastelt, gern dekoriert. In der Pfarrei St. Joseph gestalte er jedes Jahr den Blumenteppich an Fronleichnam. Künstlerisch-Kreatives liege ihm. So singe und male er gern, mache in der Schule bei der Zeitung und beim Kochen mit. Woher er das mit dem Nähen hat? "Keine Ahnung", sagt die Mutter. Von ihr jedenfalls nicht, "ich kann die Maschinen nicht leiden, bei mir hängt ständig was".

Wer Nepomuk unterstützen will, erreicht ihn unter Telefon 0176/66996415.

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SZ vom 03.02.2021
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