Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Starnberg verzichtet auf Gift

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Auf kommunalen Grünflächen will die Stadt künftig weitgehend keine gefährlichen Pflanzenschutzmittel und Insektizide mehr einsetzen. Auch der Streusalzverbrauch auf winterlichen Straßen soll reduziert werden

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Stadt Starnberg will künftig auf ihren landwirtschaftlich genutzten Flächen, im Wald und übrigen öffentlichen Flächen auf den Einsatz des umstrittenen Pflanzengiftes Glyphosat und anderer Pestizide weitgehend verzichten. Der Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität folgte damit am Donnerstag einstimmig einem Beschlussvorschlag der Verwaltung, der auf Antrag der Grünen zustande gekommen war.

Glyphosat gilt seit Mitte der 70er Jahre als wahres Wundermittel: In verschiedenen Produkten als Mittel zur Unkrautbekämpfung eingesetzt in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaushalten entwickelte sich das Herbizid weltweit zur bevorzugten chemischen Keule, der genmanipulierte Pflanzen aber widerstehen. Seit Jahren mehren sich aber auch Hinweise darauf, dass Glyphosat krebserregend ist: Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam im März 2015 zum Ergebnis, dass Glyphosat wahrscheinlich auch für Menschen krebserzeugend ist und erbgutschädigende Wirkung hat. Das Breitbandherbizid des US-Konzerns Monsanto sollte zunächst zum Jahresende 2015 in der EU verboten werden, die Zulassung wurde aber im Oktober 2015 bis Juni 2016 verlängert. Allein in Deutschland sind derzeit 95 Produkte mit dem Wirkstoff zugelassen. Seit Ablauf des Patentschutzes kommt gut die Hälfte des Glyphosat-Angebots heute aus China.

Die Spezialisten der Starnberger Stadtverwaltung hatten den Antrag der Grünen sorgfältig aufgearbeitet und eine neun Punkte umfassende Beschlussempfehlung erarbeitet, die Grünen-Stadtrat Franz Sengl ("Danke für die Vorlage, super") ein Lob abnötigte. Demnach ist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen der Stadt der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen ebenso wenig gestattet wie das Ausbringen von Klärschlamm. Glyphosat ist ebenso verboten wie der Einsatz von Neonikotinoiden und sonstigen bienengefährlichen Mittel; auf sonstige Pflanzenschutzmittel soll - soweit möglich - ebenfalls verzichtet werden. Zudem sollen Feldgehölze, Hecken und Einzelbäume aufgrund ihrer Biotop-Funktion erhalten werden, eine weitere Verbuschung ist aber unerwünscht. Auch ist der Umbruch von Grünland zu Ackerland nicht gestattet. Künftig sollen "Grundsätze des ökologischen Land- und Gartenbaus" in neu abgeschlossenen Pachtverträgen der Stadt aufgenommen werden; bestehende Verträge werden entsprechend ergänzt. Auch verpflichtet sich die Stadt zur Einrichtung eines Streusalzmonitorings des städtischen Winterdienstes, um die Aufwandsmengen des pflanzen- und bodenschädlichen Salzes - und in der Folge den Einsatz von Bodenhilfsstoffen und Dünger im Straßenbegleitgrün - zu minimieren.

In einer sachlich geprägten Debatte vertieften insbesondere Klaus Rieskamp (BLS) und Anton Wiesböck (FDP) den Kenntnisstand im Gremium. Rieskamp wollte die städtische Verordnung "noch etwas griffiger machen" und plädierte für regelmäßige Kontrollen der Pächter städtischer Grundstücke. Wiesböck machte deutlich, dass der Einsatz von mineralischem Kunstdünger in Maßen von den Landwirten begrüßt werde.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2015
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