Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Staatsanwälte dürfen selbst entscheiden

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Nach einem geplatzten Prozess wegen fehlenden Sicherheitspersonals schwächt Landgericht Vorgaben wieder ab.

Christian Deussing und Andreas Salch

Nun musste am Dienstagnachmittag sogar die Direktorin des Amtsgerichts Starnberg selbst einspringen, um Frauen am Eingang des Gerichts mit Handsonde zu kontrollieren und auf Waffen abzutasten. "Ich bin aber nur ein Notnagel", betonte Sibylle Fey. Sie sei froh, dass zumindest bis zum heutigen Mittwochmittag Polizistinnen von der Starnberger Wache zur Hilfe kommen. Denn sie könne Mitarbeiterinnen des Amtsgerichts nicht zu diesen Kontrollen verpflichten, sagte Fey der SZ . Bis Freitag muss der Mangel an weiblichem Sicherheitspersonal überwunden werden. Von kommender Woche an wird eine erfahrene Münchner Sicherheitsfirma eine Kontrolleurin nach Starnberg schicken. Die Bezahlung sei vorerst gesichert, sagte die Chefin des Amtsgerichts. Die Kontrollen würden täglich auch bei Scheidungs - und Sorgerechtsprozessen erfolgen - was anders sei als bei einigen Gerichten. Denn Familienrichter seien "mindestens genauso gefährdet" wie deren Kollegen in Strafprozessen. Das wisse man, so Fey, von Fällen aus der Vergangenheit. Der Juristin scheint aber die derzeit harte Linie der Staatsanwaltschaft München II "etwas überzogen" zu sein. Denn man sei nach den tödlichen Schüssen im Dachauer Gerichtssaal "nicht tatenlos gewesen" und habe auch Frauen stets "optisch kontrolliert". Wie berichtet, war am Montag ein Prozess geplatzt, weil die Münchner Anklagebehörde auf weibliches Kontrollpersonal bestanden hat - die Staatsanwältin wäre laut Fey allerdings bereit gewesen, an der Verhandlung mitzuwirken. Jetzt wurde die Vorgabe wieder abgeschwächt. Staatsanwälte des Landgerichts München II können selbst entscheiden und ein Amtsgericht verlassen, wenn sie sich nicht sicher fühlen. Diese Vorgehensweise sei mit Gerichten in der Region abgesprochen worden, bestätigte die stellvertretende Oberstaatsanwältin am Landgericht München II. Am vergangenen Montag hatte ein Sitzungsvertreter der Münchner Behörde erstmals von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Grund für seine Entscheidung waren die Einlasskontrollen am Eingang des Starnberger Amtsgerichts. Zur Kontrolle der Zuschauer waren lediglich zwei männliche Polizeibeamte abgestellt worden. Frauen dürfen aber nur von weiblichen Polizisten auf unerlaubte Gegenstände untersucht werden. Wenn ein Gericht nicht in der Lage sei, eine Sicherheitslücke zu schließen, sollen die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Rücksprache mit der Geschäftsleitung des jeweiligen Amtsgerichts nehmen, so Oberstaatsanwältin Titz. Sofern diese keine Abhilfe schaffen könne, dürfe ein Staatsanwalt den "Ort verlassen".

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SZ vom 29.02.2012
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