Süddeutsche Zeitung

Pöcking:"Villa Austria" sucht neue Bewohner

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Das einstige Domizil der Habsburger wird neu vermietet - und das sogar für einen gar nicht mal so hohen Preis.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Seit wenigen Tagen wird die Habsburg-Villa in der Pöckinger Hindenburgstraße auf Immobilienscout zur Vermietung angeboten - und schon jetzt gibt es nach Auskunft des beauftragten Maklerbüros TSC mehr als 20 Interessenten. Kein Wunder: Für 7500 Euro Kaltmiete ist die historische Villa mit 19 Zimmern auf einem knapp 6000 Quadratmeter großen Grundstück an einem der schönsten Aussichtspunkte über den Starnberger See geradezu ein Schnäppchen.

Das Ehepaar Otto und Regina von Habsburg hatte das Anwesen auf dem "Pesthügel" in Pöcking im Jahr 1954 erworben und es bis zum Tod des ältesten Sohnes des letzten österreichischen Kaisers im Jahr 2011 bewohnt. Danach stand die "Villa Austria", wie sie nach ihren Bewohnern in Pöcking genannt wird, lange Zeit leer. Erst 2014 wurde sie an die Software-Firma "Lobster" vermietet, die das Anwesen gewerblich nutzte. Schon damals zeigte sich der Pöckinger Bürgermeister Rainer Schnitzler erleichtert, dass die geschichtsträchtige Villa kein Spekulationsobjekt wurde, sondern weiterhin im Eigentum der Habsburg-Familie blieb.

Das Software-Unternehmen Lobster wird im kommenden Jahr aus dem repräsentativen Anwesen ausziehen, da es seinen Firmensitz in einen eigenen Neubau nach Tutzing verlagert. Vom kommenden April an soll die Habsburg-Villa mit 600 Quadratmetern Wohn- und 200 Quadratmetern Nutzfläche neu vermietet werden. Die Villa sei etwas Besonderes und daher "die Nachfrage sehr lebendig", ist aus dem Maklerbüro zu erfahren. Man sei dabei, erste Besichtigungstermine mit Interessenten zu vereinbaren, die zuvor aber auf ihre "seriöse Intention" hin geprüft werden.

Die Villa wurde 1901 für den Hofkapellmeister Hugo Röhr und seine Frau, die Sopranistin Sophie Röhr-Brajnin, von Hofbaurat Eugen Drollinger erbaut. Die Opernsängerin betrieb dort eine Gesangsschule für junge Damen. Das sorgte damals für einige Aufregung in dem kleinen Dorf, weil die Schülerinnen zur Untermiete bei Einheimischen wohnten. 1922 baute die damalige Eigentümerin Hedwig Schmid, die durch Öl-Aktien zu Reichtum kam, das Anwesen so umfassend um, dass von der Handschrift des Erbauers nicht mehr viel zu sehen war. Laut der Objektbeschreibung im Internet ist dadurch ein "sehr viel ruhigerer Baukörper mit großen, klaren Flächen, einer barock-klassizistische Hinwendung zu Regelmäßigkeit und Symmetrie" entstanden. So sei aus einem ehemals privaten Landhaus eine eindrucksvolle, repräsentative Villa mit "exzellentem Potenzial" gemacht worden.

Nur wenige Menschen kannten die Villa Austria von innen. Allerdings beschäftigte der Publizist und Europapolitiker Otto von Habsburg mehrere Mitarbeiter, daher wurden einige Räume als Büro genutzt. Nach Angaben der Maklerfirma ist die fünfstöckige Villa teilweise mit Fischgrät-Parkett ausgestattet und einige der originalen Holzvertäfelungen sowie Kronleuchter seien ebenfalls noch erhalten. Es könnte "rundum ein wunderbarer und repräsentativer Firmensitz am Starnberger See" sein, heißt es weiter.

Das Anwesen ist von der Hindenburgstraße aus nicht zu sehen. Lediglich eine von altem Baumbestand gesäumte Zufahrt weist darauf hin, dass sich hinter den Gebäuden entlang der Straße ein weiteres Grundstück befindet. Lange Zeit ist in der Gemeinde über eine Umbenennung der Hindenburgstraße diskutiert worden. Unter anderem wurde damals auch der Anwohner Otto von Habsburg als neuer Namensgeber für die Straße vorgeschlagen. Doch so weit kam es nicht. Die meisten der etwa 150 Anwohner wollten ihre alte Adresse behalten. Seither weist ein Schild unter dem Straßennamen auf die umstrittene Persönlichkeit Hindenburg hin.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2021
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