Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Eine Frage des Geldes

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Die Söckinger Kirche St. Stephan muss dringend saniert werden - doch die Stadträte schrecken davor zurück, 170 000 bis 641 000 Euro für einen barrierefreien Zugang auszugeben.

Von Peter Haacke, Starnberg

Als historisch bedeutsames Kleinod gilt St. Stephan. Das Kirchlein, vermutlich im 15. Jahrhundert erbaut, ist ein Wahrzeichen Söckings, das allerdings Mängel aufweist, die weit über Schönheitsfehler hinausgehen: Einerseits ist der Dachstuhl des Gotteshauses marode und müsste dringend mit Millionenaufwand saniert werden. Andererseits ist die Kirche, die nur noch gelegentlich von katholischen und evangelischen Christen sowie einer kroatischen Glaubensgemeinschaft genutzt wird, nicht barrierefrei. Starnbergs ehemalige Bürgermeister Eva Pfister (vormals John) erklärte den barrierefreien Kirchenzugang zur Chefsache und präsentierte dem Bauausschuss im November 2019 eine Variante zum Bau einer Rampe, die allerdings mit 641 000 Euro inklusive Planung enorm teuer wäre. Angesichts der prekären Haushaltssituation zog der Stadtrat daraufhin die Reißleine, zumal es offenbar auch günstigere Alternativen gibt.

Stadtbaumeister Stephan Weinl präsentierte am Donnerstag im Bauausschuss drei Varianten für einen barrierefreien Zugang. Abgesehen von der bisher präferierten Version einer Rampenanlage mit zusätzlicher Treppenanlage und aufwendigem Umbau des Kreuzungsbereichs Andechser Straße/Bismarckstraße brachte Weinl zwei erheblich kostengünstigere Alternativen ins Spiel, von denen bislang keine Rede war: Eine Stahlrampe (Kosten inklusive Planung: 265 000 Euro plus Grunderwerb) sowie eine simple Hebeplattform (170 000 Euro plus jährliche Wartung) nebst Treppe ohne jeglichen Grundstückserwerb. Alle drei Versionen haben ihre Vor- und Nachteile, würden funktional ihre Aufgabe im Sinne der Barrierefreiheit erfüllen und dürften auch vom Freistaat finanziell gefördert werden.

Im Gremium herrschte zwar überwiegend Einigkeit darin, dass der Zugang zu Kirche und Friedhof grundsätzlich barrierefrei sein müsse, an den Kosten aber schieden sich die Geister. Rudi Zirngibl (CSU) etwa bezeichnete die ursprüngliche Planung als "viel zu teuer", zumal eine Zufahrt für einen Mini-Bagger gar nicht erforderlich sei. Als übertrieben erachtete Angelika Kammerl (CSU) den Gesamtaufwand für eine Kirche, die ohnehin nur gelegentlich genutzt werde. Otto Gaßner (UWG) verwies darauf, dass die beiden am stärksten frequentierten Starnberger Gotteshäuser, St. Maria und St. Ulrich, beide nicht barrierefrei seien. Franz Heidinger (BLS) empfahl, die Angelegenheit zurückzustellen, bis die Kirche saniert ist, Franz Sengl (Grüne) brachte eine Kostenbeteiligung der Diözese Augsburg und der Evangelischen Kirche "für die am wenigsten besuchte Kirche Starnbergs" ins Spiel. Einzig Eva und Josef Pfister (BMS) plädierten weiterhin für die teuerste Ausbauvariante.

Eine Merkwürdigkeit war Marc Fiedler (FDP) beim Studium der Sitzungsvorlagen aufgefallen: Zur Realisierung der ursprünglichen Variante wäre ein Grundstückstausch erforderlich. "Hierfür wurde als Bedingung die Verlegung der ehemaligen Bushaltestelle aus der Busbucht gefordert", heißt es weiter. Hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen Grundstückstausch, barrierefreiem Ausbau und Verlegung der Bushaltestelle, die 2019 viel Unmut erzeugte, hatte es von der ehemaligen Bürgermeisterin jedoch widersprüchliche Aussagen gegeben. Eine konkrete Nachfrage von Franz Heidinger hatte sie seinerzeit gar als "Spekulation" bezeichnet. In der Sitzung äußerte sich Eva Pfister nicht dazu. Fiedler kündigte an, "tiefer in der Vergangenheit zu graben". Das Thema "barrierefreier Zugang" wurde einhellig vertagt.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2020
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