Süddeutsche Zeitung

Parkplätze am See:Ganzfalschparker

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Vor allem an warmen Tagen und rund um Badestellen parken viele Autofahrer unrechtmäßig auf Plätzen, die für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind. Das kann eine teure Bequemlichkeit werden.

Von Ella Adam, Starnberg

Mehrere Vorfälle in öffentlichen Freibädern haben während der vergangenen Wochen gezeigt, dass starke Hitze nicht nur schlapp, sondern auch aggressiv machen kann. Die hohen Temperaturen lassen laut Norbert H. aber auch den "deutschen Egoismus" ausbrechen: Der sehbehinderte Wirtschaftsprüfer aus Gauting beklagt unrechtmäßig zugestellte Behindertenparkplätze. An heißen Tagen sei es rund um Badestellen am Starnberger See besonders schlimm. Aus Angst vor unangenehmen Reaktionen möchte Norbert H. lieber nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden.

Seit einem Vierteljahrhundert ist der 55-Jährige fast vollständig blind. Erhöhte UV-Einstrahlung beim Skifahren und Surfen in Kombination mit einer Lebensmittelvergiftung und Stress führten bei ihm zu einer Spontanmutation der Netzhaut, erzählt er. Eine Verletzung, die ihn fast vollständig erblinden ließ. Außer Umrissen und Farbflecken könne er heute nichts mehr sehen.

Er ist berufstätig und verheiratet: "Das ist für einen Schwerbehinderten nicht selbstverständlich", sagt der Vater zweier erwachsener Kinder. Mithilfe seiner Familie komme er gut durch den Alltag. Gäbe es die Familie nicht, wäre es allerdings schwer. Einerseits sei der öffentliche Raum an vielen Stellen nicht barrierefrei, andererseits lasse die Hilfsbereitschaft Fremder oft zu wünschen übrig. Er müsse oft Hilfe einfordern, so H., und würde im Gegenzug nur Widerwillen ernten. "Der deutsche Egoismus" eben. Die Parkplätze seien dafür ein Paradebeispiel.

Vor gut zwei Wochen wollten Norbert H. und seine Frau erst in Starnberg bummeln und dann am Steininger Grundstück im Süden der Kreisstadt baden gehen. Dort seien allerdings alle Behindertenparkplätze belegt gewesen, nach seinen Angaben teilweise auch unrechtmäßig. Was für den einen ein Kavaliersdelikt sein mag, ist für einen Sehbehinderten eine weitere Einschränkung im sowieso schon mühsamen Alltag.

Der Zweckverband Kommunaler Dienste Oberland (KDZ) mit Sitz in Bad Tölz ist mit der Überwachung der öffentlichen Parkplätze in vielen Gemeinden beauftragt, auch im Fünfseenland. Simone Bräu, Assistentin der Geschäftsführung des KDZ Oberland, pflichtet Norbert H. bei: Besonders an warmen Sommertagen würden viele Autofahrer ihren Wagen unrechtmäßig auf Behindertenparkplätzen abstellen. So habe es allein im Landkreis Starnberg in diesem Jahr bereits 141 Verstöße mit diesem Tatbestand gegeben; bei den Strandbädern in und um Starnberg waren es 20 Verstöße.

Die Dunkelziffer sei aber deutlich höher, glaubt Oliver Jauch, der Verkehrsexperte der Starnberger Polizei. "Das wird eben selten angezeigt", weiß der Beamte. Und auch die Ausflüchte der Parksünder sind ihm bekannt: "Die Standardausrede ist immer: Man parkt ja nur schnell da und ist dann wieder weg."

Im Fall von Norbert H. war das allerdings nicht so. Statt auf dem Behindertenparkplatz haben er und seine Frau an der Possenhofener Straße geparkt. Dabei hatten sie nach seinen Angaben nicht gemerkt, dass sie im Halteverbot standen und kassierten prompt einen Strafzettel: 25 Euro Bußgeld. Ungerecht findet Norbert H. das, denn er habe ja nicht freiwillig dort geparkt. Ob der Falschparker auf dem Behindertenparkplatz auch blechen musste, dürfe der KDZ Oberland ihm aus Datenschutzgründen nicht sagen. Falls ja, ist das allerdings teurer als normales Falschparken: Eine solche Verwarnung kostet 55 Euro.

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