Süddeutsche Zeitung

Festival:Zur Mondnacht in die Remise

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Florian Prey singt bei seinem Kleinen Sommerfestival in Gauting erstmals eigene Lieder. Das Programm von Mai bis Juli ist facettenreicher denn je.

Von Gerhard Summer, Gauting

Wenn Courage und Bescheidenheit aufeinander treffen, hört sich das zum Beispiel so an: Bariton Florian Prey und Pianist Wolfgang Leibnitz schickten sich an, bei ihrer Matinee "Göttliche Liebe" in der alten Remise Werke von "Johann Sebastian Bach, Franz Schubert, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Florian Prey" zu interpretieren, steht im Programmheft zu lesen. Der Rest ist mehr oder minder Schweigen. Kein Wort davon, welche Texte der renommierte Sänger in seinen ersten eigenen Liebesliedern vertont hat. Dass es dabei um Uraufführungen zu seinem Festival in Gauting geht. Und dass die Finnin Tuija Komi beim Auftritt mit ihrem Quartett vielleicht auch einen Song von Prey vorstellen wird. Der Künstler hält eben nichts davon, Wind um sich zu machen. Doch immerhin habe er seine Kompositionen hinter den Liedern großer Meister eingereiht, sagt er. "Den Mut dazu hab' ich."

Das Understatement ist typisch für das wohl facettenreichste Festival im Fünfseenland. Es behauptet im Titel hartnäckig, dass es klein ist, dabei fällt es auch in der abgespeckten Version mit 19 Vorstellungen von Mai bis Juli recht stattlich aus und zog in den Jahren vor der Pandemie jeweils an die 2000 Zuhörer an. Vor allem aber: Dieses Fest hat fast alles im Köcher, was Kultur ausmacht: Auf Jazz folgen Klassik, eine konzertante Oper und Volksmusik. Es gibt Stumm- und Opernfilm, Lesungen, eine Ausstellung. Sogar ein Schlagerabend für Menschen mit Demenz und eine Art Meditation zwischen Baumstämmen, das sogenannte Waldbaden mit Schauspielerin und Theaterpädagogin Carola Bambas, stehen an.

Immer wieder treten junge Talente in der Remise auf, ob nun die Kindersinfoniker der Stargeigerin Julia Fischer aus Gauting, Klavierschüler ihrer Mutter Viera Fischer, Neuentdeckungen des Pianistenclubs München oder das Odeon Jugendsinfonieorchester. Und die Programme folgen oft reizvollen Themen und Kombinationen: Mal nehmen sich Pianisten Musik vor, die Clara Schumann spielte, mal stellt ein Quintett um die Münchner Violinistin Ilona Cudek die "Acht Jahreszeiten" von Vivaldi und Piazzolla vor. In der Remise standen einst Pferdekutschen - längst fährt dort ein Mobil vor, das auch fliegen und tauchen kann.

Florian Prey sitzt an einem Tisch des nur heute verwaisten Cafés direkt gegenüber von der Remise. Ein großer schlanker Mann mit erst leicht ergrauten Schläfen, der deutlich jünger aussieht, als er ist. Manchmal nähert er sich in Spiralen seinem Thema. Einmal gerät der Sohn des berühmten Baritons Hermann Prey ins Schwärmen, als er von dem Abend mit Jean-Pierre Ponnells "La Nozze di Figaro" mit seinem Vater und anderen Gesangsstars beim Festival 2019 erzählt. Denn Opernfilm in dem alten Gemäuer mit ausgezeichneter Akustik, das sei ein Erlebnis. Und gelegentlich sagt Florian Prey Wörter, die man nur noch selten hört. Den Spielplan heuer zusammenzustellen, das musste also "rappzapp" gehen.

Das Programm ist auch so etwas wie ein Spiegel seiner vielfältigen Interessen. Der heute 63-Jährige, der sein Operndebüt als Graf in Franz Schrekers "Der ferne Klang" am Teatro La Fenice in Venedig gegeben und dort auch in der Partie des Jesus in der ersten szenischen Aufführung von Bachs Johannes-Passion aufhorchen ließ, ist nämlich nebenbei Maler, Fotograf, Autor, Filmemacher und neuerdings Komponist. "Das sind immer so Episoden gewesen", meint er dazu, so alle sieben Jahre habe sich bei ihm ein Wechsel ergeben. Denn für ihn sei es wichtig, "Sachen auszuprobieren" und kreativ zu bleiben.

"Ich wär' ja blöd, wenn ich keine Lieder schreiben würde."

Vor 15 oder 20 Jahren zum Beispiel hatte er damit begonnen, Geige zu lernen. Dass aus ihm kein Virtuose mehr würde, sei klar gewesen, meint er. Aber er habe sich gedacht, es wäre schon etwas erreicht, wenn er die Gesangsstimme aus Schumann- oder Schubert-Liedern mit dem Bogen nachspielen könnte. Klar, eine Bratsche wäre in seinem Fall wohl geeigneter gewesen, bei der Violine gehe es ja mehr um die Sopranlagen. Doch zuletzt habe er die Geige wieder aus dem Kasten geholt und mit einer Bekannten leichte Duette gespielt. "Das hat Spaß gemacht und entspannt mich auch". Vielleicht nehme er nun doch wieder ein wenig Geigenunterricht. Oder probiere es mal mit der Gitarre?

Zum Lieder schreiben sei er in der Corona-Zeit gekommen, in den Lockdowns konnte er fast gar nicht mehr als Sänger auftreten. Er habe schon vorher oft am Klavier improvisiert, irgendwann einen Jazzpianisten um Rat gefragt und dessen Tipp beherzigt: "Stell dir vor, was du spielen willst, und spiel das." Bald führte er musikalisches Tagebuch und zeichnete seine zwei Improvisationen morgens und nachts mit einem Aufnahmegerät auf. Und schließlich habe er sich gedacht: "Ich wär' ja blöd, wenn ich keine Lieder schreiben würde." Prey vertonte also alte englische Gedichte unter anderem von Emily Brontë, Lyrik von Christian Friedrich Hebbel, Joseph von Eichendorff und eigene Gedichte. Und er schrieb außer Kunstliedern auch Songs, die offenbar zum Jazz tendieren.

"Das ist jetzt so mein Steckenpferd", sagt er leichthin. Steckenpferd? Ja, Prey spricht von Spielzeug und Liebhaberei, denn er will sich "nicht mit den großen Liedkomponisten vergleichen"; das fände er vermessen. Er sei nun auf der Suche nach einem Produzenten, der einen Klang für seine Lieder entwickle, "das wäre die nächste Stufe. Worum sich seine Gedichte drehen? Ach, meint Prey, fast so, als wolle er die Frage möglichst schnell vom Tisch wischen, "immer nur um die Liebe".

Im Übrigen werde er die "Mondnacht für Marga", die er der vor einem Jahr gestorbenen guten Freundin und Cembalistin Marga Henschel gewidmet hat, bei der Matinee mit seinem langjährigen Klavierbegleiter Wolfgang Leibnitz nicht uraufführen. Denn dieses Lied nach Eichendorff habe er schon einmal vor einem Jahr bei seinem zweiten Festival vorgetragen, den Herbstlichen Musiktagen in Bad Urach am Rand der schwäbischen Alb. Und ja- "das kam sehr gut an".

Werke des Festivalchefs erklingen auch noch an einem zweiten Abend in der Remise. Er und der Gautinger Johannes Schachtner, einer der spannenden neuen Tonsetzer, treten bei dem "Privatissimo" sowohl als Komponisten als auch als Interpreten auf, unter anderem mit Liedern vom Großvater Franz Xaver Schachtner. Im Programmheft, das Prey zu großen Teilen selbst verfasst hat, steht dazu: "Musik nimmt man aus dem Kosmos, so wie man die aus dem scheinbar Nichts gewachsene Pflaume vom Baum pflückt."

Das Kleine Sommerfestival startet am Samstag, 21. Mai, mit einem Jazzkonzert des Tuija Komi Quartetts (19.30 Uhr). Die Kindersinfoniker treten am 26. Mai auf (17 Uhr), der Schlagerabend für Menschen mit Demenz ("Musik im Kopf") ist am 29. Mai (15 Uhr) und Florian Preys Matinee mit geistlichen Liedern, weltlichen Liebesliedern und zwei Gospels am 5. Juni (11 Uhr). Weitere Infos und Karten unter www.kleines-sommerfestival.de und www.muenchen-ticket.de .

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