Süddeutsche Zeitung

So entsteht Hagel:Fahrstuhl durch die Wolken

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Eine Schneise der Verwüstung hat die Hagelwalze hinterlassen. Diplom-Meteorolge Lang erklärt, wie sich zehn Zentimeter große Eiskörner bilden können.

G. Summer

Golfballgroße Hagelkörner und sintflutartiger Regen: Ein heftiges Unwetter, hat am Freitag eine Schneise der Verwüstung durch den westlichen Landkreis gezogen und schwere Schäden unter anderem in Drößling, Seefeld und Aschering angerichtet. Gerhard Summer sprach mit dem Diplom-Meteorologen Peter Lang vom Observatorium am Hohenpeißenberg über das Phänomen.

SZ: Wie kam es zu diesem sich aus dem Nichts entwickelnden Gewitter ?

Peter Lang: Der Wetterdienst München hat am Freitag um 19.42 Uhr vor Starkregen, heftigen Böen und vier Zentimeter großen Hagelkörnern gewarnt. Und tatsächlich ging es eine halbe Stunde später los. Das hat mit der atmosphärischen Schichtung am Nachmittag zu tun. Wenn sie am Boden eine Auslösetemperatur von, sagen wir, 31 Grad erreicht haben, bewegen sich die feuchten Luftpakete bis in die Höhe der Wolkenbildung. Und wenn sie dort immer noch wärmer als die Umgebung sind, können sie weiter bis über zwölf Kilometer Höhe hinauswachsen. Je höher die Startenergie, desto schneller geht das.

SZ: Die Hagelkörner waren am Ende nicht vier, sondern bis zu zehn Zentimeter groß. Ist das noch normal?

Lang: Vier Zentimeter Hagel ist schon bemerkenswert. Das ist durchaus die Hagelgröße wie beim noch heftigeren Unwetter 1984 in München. Generell führt starker Aufwind dazu, dass sich an den Hagelkörnern immer mehr äußere Eisschichten bilden können. Es gibt mehrere fahrstuhlartige Durchgänge durch die Wolke, dabei wird immer mehr Eis angelagert. Deshalb bilden sich auch diese Art Zwiebelschichten um ein Hagelkorn. Die maximal zehn Zentimeter Durchmesser kommen zustande, wenn zwei Hagelkörner miteinander vereisen.

SZ: Bringt der Klimawandel schneller entstehende Gewitter und größeren Hagel?

Lang: Nein. Natürlich ist dieses Unwetter für den Landkreis ein Ereignis, wie es vielleicht alle 50Jahre vorkommt. Und wir können womöglich damit rechnen, das es künftig mehr Fälle in der Statistik gibt, dass solche Gewitter etwas häufiger auftreten. Aber es ist nicht zu erwarten, das es noch größeren Hagel gibt. Der Aufwind hängt zwar von den Temperaturen ab, lässt sich aber durch den Klimawandel nicht beträchtlich steigern.

SZ: Ließe sich der Schaden bei einem Unwetter durch Hagelflieger minimieren, die Silberiodid in die Wolken sprühen?

Lang: In Rosenheim wird das noch so praktiziert, das Ganze ist aber nach wie vor umstritten. Die Grundidee ist, die wenigen großen Hagelkörner zu Gunsten vieler kleiner zu verhindern.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2010
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