Süddeutsche Zeitung

Konzert:Große Liedkunst im Stadl

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Der Bariton Samuel Hasselhorn und die Pianistin So-Jin Kim präsentieren den Zuhörern in den Andechser Klosterräumen einen Klanggenuss der Extraklasse.

Von Reinhard Palmer, Andechs

Der Andechser Florianstadl ist für einen Liederabend nicht gerade der ideale Rahmen. Gerade Schumanns Lieder und Balladen sind zum großen Teil für den intimen Gebrauch gedacht. Schließlich verdankte Schumann seinerzeit seine sich schnell ausbreitende Bekanntheit den Laiensängern, die seine Lieder in Hauskonzerten populär machten. Aber letztendlich kommt es auch auf den Zugriff der ausführenden Musiker an.

Vor der substanzvollen, klangrunden Stimme des erst 33-jährigen Baritons Samuel Hasselhorn, der in erster Linie renommierte Opernbühnen bedient wie etwa die Wiener Staatsoper, Opéra national de Paris oder die Mailänder Scala, schien der Florianstadl ehrfürchtig zu schrumpfen, zumal nicht minder opulent begleitet von der Pianistin. Die Empfindungen steigerten sich noch in der Seelentiefe, um schließlich in "Ich bin der Welt abhanden gekommen" hochemotional zu berühren. Auf Empfehlung des Begleitmeisters und hier Schirmherrn Helmut Deutsch wurde ihr von der Veranstalterin Gabriele Dressler die künstlerische Leitung für die Liederreihe übertragen.

Das Duo griff Schumanns Epik stark emotional und extrovertiert auf, was eine weiter ausladende Dramaturgie plausibel machte. Diese Problematik stellte sich Hasselhorn und Kim bei den Mahler-Liedern nicht, denn ihre nahezu symphonische Weitbogigkeit wie elegische Grundstimmung hielten der Weite des Florianstadls mühelos stand.

Das Programm war natürlich nicht willkürlich zusammengestellt worden. Schon die Auswahl der acht Lieder und Balladen nach Heinrich Heine von Schumann zeichnete im emotionalen Auf und Ab einen klaren Spannungsbogen nach, der mutig mit der energisch-forschen "Tragödie I" op. 64/3 kraftvoll ansetzen durfte, da noch viel Raum zur Verfügung stand, um am Ende beim heroisch-dramatischen Epos "Die beiden Grenadiere" op. 49/1 im Gänsehaut-Höhepunkt mit der Marseillaise anzukommen. Und der Weg dorthin gab schon eine Menge her, etwa energisch vorantreibendes "Lehn' Deine Wang'" op. 142/2 oder lieblich fließende Schönmelodik in "Dein Angesicht" op. 127/2.

Jedes Lied ist eine eigene Preziose

Bereits reichlich mit Charakterdifferenzierung bedient, bewiesen Hasselhorn und Kim aber sogleich in Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen", dass ihr Fundus an Ausdrucksnuancen noch viel mehr bereithielt. Man konnte förmlich heraushören, wie Mahler aus dem Wortlaut zur musikalischen Ausformung gelangte und zugleich den emotionalen Gehalt mit changierenden Farben ausdeutete. Jedes Lied eine eigene Preziose, die das Duo des Abends mit großer Einfühlsamkeit in einem weit angelegten Auf und Ab der Erzählungen überaus fesselnd zu gestalten vermochte. Hasselhorn konnte sich hierbei auch auf die adäquaten Stimmungen des Klavierparts verlassen, worin die entscheidende Qualität zu suchen war, ist doch die Wirkung der Mahlerlieder nur im Gesamtbild vermittelbar.

Anders als bei Schumann, der zwar Rhythmus und Melodie der Sprache nicht aus dem Auge beziehungsweise Ohr verlor, doch vordringlich aus dem Wortsinn die Dramaturgie anlegte. Und in "Fünf Lieder" op. 40 ging es vielleicht weniger spektakulär, doch gerade in der Schlichtheit und Kürze umso feindifferenzierter um überaus sensible Ausdrucksnuancen. Aber auch in der charakterlichen Treffsicherheit wie Eindringlichkeit in der Ausdrucksausprägung zeigten sich Hasselhorn und Kim absolut stimmig. Wie etwa der leichte Galopp in eine mysteriöse Schilderung des Hochzeitsgeigers in "Der Spielmann" mündete, schrieb eine Menge Gedanken zwischen die Zeilen, was sich als eine geeignete Einstimmung auf Mahlers Rückert-Lieder erwies. Sinnenfreudiger hätte das lieblich im weiten Bogen fließende "Ich atmet' einen linden Duft" wohl kaum erklingen können. Kurzum: ein Liederabend der Extraklasse.

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