Süddeutsche Zeitung

Premiere:Dem Mondhasen auf der Spur

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Am Weßlinger See wird zum ersten Mal das japanische "Tsukimi"-Fest gefeiert

Von Patrizia Steipe, Weßling

"Mit dem vollen Mond - wandern meine Gedanken: Sehnsucht nach Japan". Herta Riedhammer hatte das Haiku, eine typisch japanische Gedichtform, beim Haiku-Workshop gedichtet. Am Ende des Mondfestes hatten die Teilnehmer ihre Verse im Pfarrstadel vorgetragen. Den vollen Mond zu dessen Ehren das japanische "Tsukimi" Mondbetrachtungsfest gefeiert wurde, sah man da zwar nicht, er ging erst später auf, aber der Mondbegeisterung der Teilnehmer tat dies keinen Abbruch. Die Deutsch-Japanische Gesellschaft (DJG) in München hatte zum ersten Mal das traditionelle Fest am Weßlinger See gefeiert. Aus diesem Anlass war sogar der japanische Generalkonsul Tetsuya Kimura gekommen. Rund 8 400 Japaner würden in Bayern leben, mehr als 5000 davon in München und Umgebung, erklärte er und dass 2021 das 160-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland gefeiert werde. "In Japan werden Feste zu jeder Jahreszeit gefeiert", so Kimura. Die Tsukimi-Feste, mit ihren Gedichten, Gesang, Tanz, Musik und kulinarischen Genüssen, in deren Mittelpunkt ein schönes Naturschauspiel stehe, gehen auf höfische Traditionen zurück. Jetzt sollen sie in Weßling etabliert werden, sagte Oliver Schön, Präsident der DJG, der ebenfalls in der Gemeinde lebt.

Viele Vereinsmitglieder, Japaner, aber auch interessierte Bürger waren gekommen. Auf sie warteten Mitmach-Angebote wie Origamifalten. Ohne Kleber und Schere entstanden bei dieser Papierfaltkunst kleine Frösche, Kraniche, Füchse und sogar ein Kussmund. Ein paar Schritte weiter demonstrierte ein Go-Spieler die strategischen Kniffe dieses mehr als 3000 Jahre alten Spiels. Daneben gab es an einem Stand japanische Leckereien zu kaufen. Zum Beispiel "Onigiri" wie die mit Algenblättern, Huhn oder Bohnen gefüllten Reisbällchen genannt werden. In Japan seien dies beliebte Snacks so wie bei uns belegte Semmeln, informierten die Verkäuferinnen. Für deutsche Geschmäcker ein wenig ungewohnt war das japanische Eis "Kakigori". Dabei handelt es sich um gecrushtes Eis, auf das Sirup und als Topping Kondensmilch, Kokosnussmilch oder süße Bohnenpaste gegeben wird.

Ein besonderer Hingucker waren die beiden Cosplayer, die sich in die Figur ihrer Lieblings-Manga- oder Animefilme verkleidet hatten. Der Mondhasenpokal ging an den Darsteller von Kitsune. Das ist ein übernatürliches Fabelwesen in Gestalt eines Fuchses. Der Fuchs sei bei den Japanern äußerst beliebt, da er die Reisfelder von Ratten und Mäusen frei halte, berichtete der Cosplayer aus München.

Eine Fuchsmaske, ein buschiger Schwanz, eine strubbelige Perücke und die typischen japanischen Holzsandalen machten die Verkleidung perfekt. Auch Jurymitglied Katrin Weis kam verkleidet. "Ich bin Akane Tendo aus dem Anime Ranma 1/2", erklärte sie. Vor ein paar Jahren sei der japanische Zeichentrickfilm täglich im Privatfernsehen gelaufen. "Mir gefällt es bei den Verkleidungen meine Kreativität auszuleben", erklärte sie. Die Cosplayer sind in der DJG genauso gerne gesehen wie Blumensteckkünstler mit ihren Ikebana-Kunstwerken, die Aikido-Kämpfer oder die Experten der japanischen Geschichte. "Von der Hochkultur bis zur Realkultur gehört alles zusammen. Wir wollen die gesamte Bandbreite im Verein abbilden", erklärte DJG-Mitglied Jens Hesse.

Zur Einstimmung auf den Vollmond gab es Musik von der melancholisch klingenden japanischen Shakuhachi-Bambusflöte, deren Klang an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern soll. Außerdem wurden Spukgeschichten vorgetragen. Sie seien früher vor allem in heißen Sommermonaten erzählt worden, denn dann war es angenehm, wenn einem das Blut vor Schreck in den Adern gefror, lautet die Legende.

Beim Heimgehen wurden die Besucher dann mit einem strahlenden Vollmond belohnt.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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