Süddeutsche Zeitung

Pöcking:Gemalte Geschichte

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Das Kaiserin-Elisabeth-Museum in Possenhofen hat ein Aquarell erworben, dessen Motiv Fragen zur Entwicklung des Ortes beantwortet

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Possenhofen

Der Blick schweift über die Winterlandschaft am Starnberger See. Im Vordergrund steht die Marienkapelle "Zu unserer Lieben Frau im Riedt", dahinter ist ein Teil von Schloss Possenhofen zu sehen. Das Aquarell aus dem Jahr 1836, das dem Landschafts- und Porzellanmaler Carl Friedrich Heinzmann zugeschrieben wird, ist der jüngste Neuerwerb des Kaiserin-Elisabeth-Museums im Bahnhof Possenhofen und wurde für die Weihnachtsgrüße an Mitglieder, Freunde und Sponsoren verwendet. "Weil die Winterlandschaft so schön passt", wie Museumschefin Rosemarie Mann-Stein betont.

Doch es fällt ein großer Unterschied auf zwischen der Darstellung auf dem Aquarell und dem aktuellen Blick von Possenhofen aus zum See. Auf dem Bild steht die Marienkapelle, die heute Fischmeister- oder Fischerkapelle heißt, auf der rechten Straßenseite. Das Bild ist also noch vor der Versetzung der Kapelle im Jahr 1838 gemalt worden. Damals hatte Herzog Max in Bayern, der Vater von Elisabeth, der späteren Kaiserin von Österreich und Ungarn, das Schloss gekauft und plante eine Erweiterung. Dafür musste die Zufahrtsstraße zum Schloss verbreitert werden, die alte Kapelle aus dem Jahr 1630 stand im Weg. Die Marienkapelle wurde daher abgerissen und 1841 auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder neu aufgebaut. Als Bauherrin wird bis heute Sisis Mutter, Herzogin Ludovica in Bayern, angegeben. Dies ist allerdings nach Angaben der Kunsthistorikerin Gertrud Rank nicht sicher. Für die Versetzung der Kapelle war ein Grundstückstausch mit dem Fischermeister Georg Schröfl notwendig. Und laut Rank ist Herzog Max in dem Tauschbrief von 1857 eingetragen. Dort heiße es, dass eine Wiese und ein größeres Waldstück gegen die Fläche eingetauscht werde, auf der "eine auf Kosten Seiner Königlichen Hoheit" erbaute Kapelle stehe, schreibt die Kunsthistorikerin Rank in dem Buch "Possenhofen - die Geschichte eines Pöckinger Kleinods", das sie zusammen mit Rosemarie Mann-Stein verfasst hat. Zudem wurde für den Neubau ein Kredit in Höhe von 330 Gulden aufgenommen.

"Das verwundert insofern, als beide in Frage kommenden Bauherren, der Herzog wie die Herzogin, gut betucht waren", schreibt Rank weiter. Doch unabhängig davon, wer damals die Versetzung der Marienkapelle auf die andere Straßenseite veranlasst und bezahlt hat, für Mann-Stein ist es das erste Bild, in dem die Situation vor dem Abriss der alten Kapelle dargestellt wird.

"Sehr interessant" ist es für die Museumsleiterin auch gewesen, weitere Details zu recherchieren. So ist auf dem Aquarell beispielsweise ein Holzgebäude gegenüber der Kapelle zu sehen, auf dem Eiszapfen vom Dach hängen. Sie sind detailliert gemalt und mit Gold schraffiert. "Daran erkennt man den Porzellanmaler", erklärt Mann-Stein vor dem Hintergrund, dass der Landschaftsmaler und Lithograf Carl Friedrich Heinzmann auch eine Anstellung in der königlichen Porzellanmanufaktur hatte.

Deutlich ist auch zu erkennen, dass das Schloss damals noch ein zweistöckiger Hufeisenbau war, den Herzog Max später aufstocken ließ. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Darstellung, wonach die Kapelle an einer Kreuzung von drei Wegen steht. Laut einer Flurkarte von 1806 führen sie in Richtung Kalvarienberg und teilen sich nach Pöcking beziehungsweise nach Starnberg. Der östliche Arm führt in den Schlosspark. Vor der Kapelle ist ein großes Holzkreuz zu sehen sowie zwei Wegweiser auf weiß-blauen Pfählen, wie sie damals üblich waren. Das zeige, dass es mehrere Wege von Pöcking zur Kapelle gegeben habe, so Mann-Stein. Ihrer Meinung nach geht der Blick aber nicht vom Kalvarienberg aus zur Kapelle und zum See, sondern von einem Standort weiter nördlich.

Für die Museumschefin ist das Aquarell ein Mosaiksteinchen, das bisher noch gefehlt hat und das nun die Geschichte ergänzt. Daher habe sie "sofort stehenden Fußes gekauft", damit das Bild nicht in irgendeiner Privatsammlung verschwindet. "Aber eigentlich gehört es in die Kapelle" ist sie überzeugt. Daher hat sie das Aquarell dem Verein zur Erhaltung der Fischerkapelle angeboten. Nach Angaben des Vorsitzenden Alexander Wehnelt muss darüber die Vorstandschaft entscheiden. Da jedoch Neuwahlen anstehen, will er das aber der künftigen Führungsriege überlassen.

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SZ vom 08.01.2022
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