Süddeutsche Zeitung

Nationalsozialismus:Spätes Rütteln am Denkmal

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Der Bürgermeister will der Ehrung des Komponisten Hans Pfitzner in Schondorf am Ammersee ein Ende setzen.

Von Armin Greune, Schondorf

Im dritten Ansturm ist das Pfitzner-Denkmal in den Schondorfer Seeanlagen heftig ins Wanken geraten. Inzwischen plädiert auch Bürgermeister Alexander Herrmann (Grüne) angesichts der nationalsozialistischen und antisemitischen Haltung des 1949 gestorbenen Komponisten dafür, das 1999 errichtete Monument zu beseitigen und die ihm gewidmete Straße in Schondorf neu zu benennen.

Der Uttinger Alexander Behnke hatte erneut eine Initiative gestartet, das umstrittene Ehrenmal zu schleifen, nachdem 2016 ein Vorstoß bei den Schondorfer Grünen im Sande verlief. Die SZ hatte bereits 2009 darauf hingewiesen, dass Hans Pfitzner noch nach dem Ende der NS-Diktatur in einer Glosse die Judenvernichtung Hitlers mit dem "Vertilgen einer bestimmten Insektensorte" verglich. Thomas Mann attestierte dem Komponisten sowie Autor musiktheoretischer und politischer Schriften schon 1919: "Der nationale Künstler hat sich zum anti-demokratischen Nationalisten politisiert." Pfitzner, der die deutsche Musik vor "jüdischen Zersetzern" zu schützen vorgab, wurde als enger Freund Hitlers von ihm 1923 am Krankenbett besucht.

Noch 2009 hatte der damalige Bürgermeister Peter Wittmaack (SPD) argumentiert, "ich betrachte ihn als Musiker, nicht als Antisemiten." Dass der schon zu Lebzeiten umstrittene Künstler in Schondorf glorifiziert wird, ohne auf seine politische Rolle zu verweisen, hält inzwischen aber nicht nur Behnke für "unerträglich". Schondorfs derzeitiger Rathauschef ist ebenfalls überzeugt, dass "die Haltung, wir ehren damit nur den Musiker, nicht zu halten ist. Wir haben ja kein Denkmal für die Oper 'Palestrina', sondern für die Person Pfitzner", sagt Herrmann.

Er befürworte, dass in Zeiten des vermehrten Rechtsextremismus "eine Diskussion in Schwung kommt, die sich die Frage stellt: Wem gibt man die Erde?" In Schondorf sei man sich auch schon länger bewusst, dass die Ehrung Pfitzners problematisch sei, "doch eine Expertenkommission wie in Salzburg haben wir nicht einsetzen können". Für Behnke ist der im Juni erschienene Abschlussbericht "NS-belastete Straßennamen in der Stadt Salzburg" aktueller Anlass, das Thema wieder aufzugreifen: Dort votierte ein Fachbeirat einstimmig für eine Umbenennung der Pfitznerstraße; in Hamburg, Hamm und Münster ist dies bereits vor Jahren geschehen; Lübeck, Wiesbaden, Frankfurt und Herzogenaurach folgten heuer nach.

In Schondorf steht freilich nicht nur ein Straßenname, sondern sogar ein Denkmal zur Debatte. Außer Pfitzner ist nur dem polnischen Kulturhistoriker Tadeusz Stefan Zieliński im Ort die gleiche Ehre widerfahren, beide Monumente hat der Schondorfer Kunsterzieher und ehemalige SPD-Gemeinderat Walter Mayer entworfen. Bürgermeister Herrmann will auch die Pfitzner-Straße umbenennen, zumal man nicht einmal Ehrenbürger oder Alt-Bürgermeister in Schondorf auf diese Weise würdige.

Das Monument, das seit Jahren rostet und Buchstaben verliert, sollte entfernt werden - wenn auch nicht spurlos: Herrmann will am Standort eine Tafel aufstellen, die erklärt, warum das Denkmal geschliffen wurde: "Die Aufforderung 'Denk mal darüber nach' finde ich spannend und wichtig." Auch Behnke empfiehlt übergangsweise ein Hinweisschild mit einer Begründung und schlägt vor, künftig an Pfitzners Stelle Christoph Probst zu ehren. Das spätere Mitglied der "Weißen Rose" legte 1937 am Schondorfer Landheim das Abitur ab. Demnächst wird sich der Kulturausschuss mit dem Thema befassen, einen Beschluss des Gemeinderats erwartet Hermann im September.

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SZ vom 15.07.2021
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