Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Erwin Bretscher ist tot

Er war Gemeinderat, Kreisrat und Pfarrgemeinderat, er war Friedensaktivist und Pazifist, aber Erwin Bretscher war vor allem eines: ein Menschenfreund. 2015, als die ersten Flüchtlinge in den Landkreis Starnberg kamen und das Landratsamt dringend Unterkünfte suchte, stellte er sein Ferienhaus in Inning zur Verfügung. Dort zog ein syrisches Ehepaar mit seinen beiden kleinen Söhnen ein. Bretscher meldete die Kinder persönlich im Inninger Kindergarten an, er gab der ganzen Familie täglich Deutschunterricht und half auch sonst, wo er konnte, etwa bei der Erledigung bürokratischer Angelegenheiten. Die Familie dankte es ihm mit Fürsorge, Herzenswärme und "einer guten Nachbarschaft auf Basis von Geben und Nehmen", wie Bretscher damals sagte.

Der frühere Lehrer für Deutsch und Religion am Christoph-Probst-Gymnasium Gilching trat schon 1983 den Grünen bei, saß zwischen 1990 und 1996 für die Ökopartei im Kreistag und war deren Fraktionssprecher. Seine Weggefährtin Gisela Forster würdigt Bretschers "Toleranz, Verständnis, Großherzigkeit, Menschenliebe, Unterstützung für Benachteiligte und Einfühlungsvermögen für alle Menschen in allen Lebenslagen". Doch 2001 kehrte Bretscher den Grünen den Rücken, nachdem der Bundesparteitag für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan gestimmt hatte. Zuviel für einen, der sich seit den 1970er Jahren unermüdlich für Gewaltfreiheit einsetzte. 2000 erhielt der Inninger den "Tassilopreis für Zivilcourage" der Starnberger SZ. Am 6. Juni starb Erwin Bretscher im Alter von 79 Jahren.

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SZ vom 14.06.2021 / csn
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