Süddeutsche Zeitung

Musik:Spiel ohne Grenzen

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Das Trio Tannur mit Paul Gulda begeistert bei "All that Jazz"

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Friedrich Gulda war ein genialer Musiker, dem kaum ein anderer Pianist das Wasser reichen konnte. Als sein Sohn Pianist zu werden, und dann auch noch in seine Fußstapfen zu treten, wäre im Normalfall zum Scheitern verurteilt. Das es bei Paul Gulda dennoch funktioniert, liegt vordringlich daran, dass die musikalische Idee seines Vaters kein Dogma war, sondern vielmehr als Öffnung des musikalischen Begriffs verstanden werden muss. Andere Gattungen, vordringlich den Jazz, genauso ernst zu nehmen wie die sogenannte Ernste Musik, hob im Grunde alle Gattungsgrenzen auf. Paul Gulda öffnet nun die E-Musik zur orientalischen hin, nicht ohne auch eine letztendlich politische Botschaft damit zu verknüpfen.

Sein Protagonist im Trio Tannur ist Marwan Abado, ein christlicher Palästinenser, der in einem Flüchtlingslager von Beirut geboren wurde und seit 1985 in Österreich lebt. Eine Vita, die heute mächtig viel Sprengkraft in sich birgt. Aber auch musikalisch stellte sein Part im Konzert in der Schlossberghalle bei All that Jazz als Instrumentalist an der Oud, einer orientalischen Kurzhalslaute, Sänger, Komponist und Arrangeur eine knifflige Aufgabe dar. Bewegt sich doch die arabische Musik bis ins Mikrotonale, wohin ihr ein abendländisch gestimmtes Cembalo nicht folgen kann. Guldas Wahl des Instruments war dennoch nicht nur klanglich ein Volltreffer. Ein Cembalo ist letztendlich ein mechanisch bedienbares Zupfinstrument wie die Oud. In der eigenwilligen Weltmusik begegneten sich beide Instrumente auf Augenhöhe, ganz darauf bedacht, das jeweils spezifische im Spiel zu bewahren und klanglich eine überaus magische Atmosphäre zu zaubern. Mit klassischen Einlagen, so von Bach und Couperin, schlug Gulda eine Brücke zur abendländischen Musik, die nur auf den ersten Blick in ihrer Klang- und Ausdruckswelt weit von der arabischen entfernt ist. Im Laufe des Abends kamen sich beide nachvollziehbar näher, doch ohne ihre Eigenheiten aufzugeben.

Ganz gleich ob morgen- oder abendländisch: Starke Rhythmen haben beide. Umso größer die Bedeutung von Peter Rosmanith, dem kreativen Schlagwerker, dessen Set schon die Idee des Konzerts verriet. Der Weg führte in eine fremdartige Klang- und Ausdruckswelt, die Gleichförmigkeit wie Monotonie als ekstatische Qualitäten herausstellte und in der sich Rosmanith mit viel Fingerspitzengefühl an die musikalische Wirkung heranpirschte. Vor allem in expressiven Mäandern der Melodien Abados, die selbst mit heiteren Themen eine gewisse Melancholie nicht verbargen und die vertonte Lyrik über unsere Ausdruckskategorien hinauswachsen ließ. Einem Freudentanz glich so "Ein Regen wird kommen", gefolgt von einem ekstatischen Finale in wirbelnder Melodik sowie einer Zugabe.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2017
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