Süddeutsche Zeitung

Bayerische Seenschifffahrt:Der Pannenkahn MS Starnberg

Lesezeit: 2 min

Von Christian Deussing, Starnberg

Wenn sich die Kapitäne mit ihrem noblen Flaggschiff MS Starnberg einem Anlegesteg nähern, könnte ihnen mulmig werden. Womöglich haben die Schiffsführer schon Schweißperlen auf der Stirn, weil das elektronische Steuerungssystem offenkundig so seine Tücken hat. Der 56 Meter lange und 430 Tonnen schwere Katamaran gilt auf dem Starnberger See mittlerweile als "Pannenschiff", da plötzlich technische Probleme auftauchen können und die Kapitäne böse überraschen.

Wie am 5. Juni, als es beim Anlegemanöver in Ambach zwei Poller ramponierte und beschädigt seine Fahrt fortsetzte. Ein Kapitän kehrte mit seinen 220 Passagieren erst kürzlich vor Seeshaupt lieber direkt nach Starnberg zurück. Der 44-jährige Schiffsführer wagte nicht anzulegen, weil erneut ein Fehler im Steuersystem unvermittelt aufgetaucht war.

Geschäftsführer macht Druck auf die Werft

Dem Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, Michael Grießer, reicht es jetzt. Er ist nach Niederkassel an den Rhein zur Lux-Werft geflogen, wo der Katamaran vor elf Jahren für fünf Millionen Euro gebaut worden war. Es gehe um die "Sicherheit der Passagiere und darum, dass die Kapitäne wieder mit gutem Gefühl die Stege anfahren können", sagt Grießer und macht Druck auf die Werft. Deren Geschäftsführer Elmar Miebach ist genauso verärgert, aber auch ratlos. "Die Techniker sind gefordert, den Fehler endlich zu finden", sagt er.

Verantwortlich für die Antriebs- und die Steuerungssysteme ist die Herstellerfirma Schottel, die seit 60 Jahren mit der Lux-Werft zusammenarbeitet. Auch Schottel-Gruppenleiter Jörg Majewski kann sich die Probleme nicht erklären - bei intensiven Testfahrten der MS Starnberg sei kein Defekt zu erkennen gewesen. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurden nun die Backbord- und Steuerbordmodule für die Lenkung ersetzt. "Damit wir dann Ruhe haben", sagt Ralph Schlemmert, Betriebsleiter der Flotte auf dem Starnberger See. Für drei Tage wurde die MS Starnberg deshalb erneut aus dem Verkehr gezogen, sie soll aber an diesem Freitag wieder auf Fahrt gehen.

Bereits vier Tage nach der Jungfernfahrt, im Mai 2004, war der nagelneue Katamaran mit großer Wucht gegen die Kaimauer und den Dampfersteg am Hotel Schloss Berg gekracht. Die Ermittlungen ergaben, dass die Elektronik in der Außensteuerung versagt und der Kapitän auf die technischen Probleme zu spät reagiert hatte. Die Bilanz der Havarie: 22 verletzte Passagiere, ein gebrochener Rumpf, eine ramponierte Neptun-Figur am Bug und ein Sachschaden von etwa 100 000 Euro. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte den neuen Katamaran eine Zeitlang.

Schiffstaufe mit viel Tamtam

Zur Taufe des Schiffes waren seinerzeit 300 Ehrengäste zugegen, sowie Blaskapelle, Bigband und einige Hundert Zuschauer am Starnberger Seeufer. Die Stimmung war damals noch prächtig. In einem Prospekt wurde geworben: "Eine Fahrt auf dem Katamaran wird für jeden Fahrgast mit Sicherheit ein nachhaltiges Erlebnis." Problemlos war einige Monate vor der Jungfernfahrt der nächtliche Transport des Katamarans in Einzelteilen von der Lux-Werft bis nach Starnberg verlaufen. Alles glatt lief später auch beim millimetergenauen Stapellauf des Kolosses, der mit Sirenengeheul von seinen Schwesternschiffen begrüßt wurde. Doch das ist alles längst Nostalgie.

Die MS Starnberg, die auch für Sonderfahrten und Tanzpartys gern gebucht wird, hat nun ein modernisiertes Steuersystem. "Damit nie wieder etwas passiert", wie Seenschifffahrtschef Grießer betont. Die Fahrgäste und auch die Kapitäne hoffen das natürlich ebenso.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2015
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