Süddeutsche Zeitung

Mitten in Gauting:Blaues Band ohne süßen Duft

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Die sonst so moderne Gemeinde setzt noch Laubbläser ein - mit unangenehmen Folgen

Glosse von Peter Haacke

Frühling lässt sein blaues Band/ wieder flattern durch die Lüfte/ Süße, wohlbekannte Düfte/ streifen ahnungsvoll das Land", dichtete einst der deutsche Lyriker Eduard Mörike in Vorfreude auf die wohl prächtigste Jahreszeit. Auch in Gauting, der Perle unter den Würmsee-Gemeinden, flattern wieder wohlbekannte Düfte durchs Land, denen es im kalendarischen Frühling zuweilen jedoch ein wenig an Süße mangelt. Ganz im Gegenteil: Es riecht vielmehr nach Muff, Zersetzung, Straßenstaub - und ja, auch dies: nach Hundekot.

Schuld daran trägt freilich weder der Frühling, noch Dichter Mörike, sondern einzig die Gautinger Gemeindeverwaltung: Der Chef des Betriebshofs hat dem Dorf, in dem sich in grauen Vorzeiten schon die Römer breit gemacht haben, eine Art Frühjahrsputz verschrieben. Getreu dem Motto "Der Dreck muss weg" rückten dieser Tage daher Aufräumkommandos aus, um die Winterspuren zu eliminieren. So trat ein Zwei-Mann-Team in schicker neongrüner Arbeitskluft an, um in der Gartenpromenade dem Herbstlaub mittels Laubbläsern den Garaus zu machen - und das ausgerechnet in der Mittagszeit, wie ein Anwohner mitteilte.

Laubbläser? Ja, geht's noch? Ausgerechnet diese Kleinlebewesen tötenden Höllenwindmaschinen, die nicht nur Laub, sondern auch allen übrigen Dreck und Straßenstaub aufwirbeln? Womöglich mit lärmendem Zweitakt-Verbrennermotor? Liebe Gautinger: In anderen Gemeinden ist man längst davon abgekommen. Nur Ignoranten greifen privat noch zum Laubbläser. Der Starnberger Betriebshof nutzt die Dinger schon seit Jahren nicht mehr.

Auch am Starnberger See, also in Berg, setzt man auf Handarbeit, wo es nur geht. Und in Haar forderte der Gemeinderat die Bürger gar zum totalen Verzicht auf. Denn man weiß: Laubbläser sind laut und klimaschädlich, stinken, schaden der Biodiversität und der Bodenqualität - und töten Tiere. In Gauting aber, dieser ansonsten so modernen, sauberen, umweltbewussten Gemeinde, fliegt im Frühling der Feinstaub offenbar weiter in ungeahnten Konzentrationen durch die Luft: Blaues Band, allerdings mit weitaus weniger prächtigem Odeur.

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SZ vom 04.03.2021
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