Süddeutsche Zeitung

Mein Tag:Festes Herz statt Wackelpudding

Lesezeit: 2 min

Günter Riedner verabschiedet sich als Pfarrer, bleibt aber in Gauting

Von Blanche Mamer, Gauting

Für die evangelischen Gautinger wird er immer ihr "Herr Pfarrer" bleiben - auch wenn Günter Riedner am Sonntag offiziell aus dem Amt des Pfarrers entlassen wurde. Jetzt trägt er den Titel "Kirchenrat", wie Dekan Stefan Reimers im Abschiedsgottesdienst in der Christuskirche betonte. Zudem wird der promovierte Theologe, der zum 1. Februar ins Landeskirchenamt nach München wechselt, auch keine Babys mehr taufen und keine Beerdigungen mehr vornehmen. Es ist schriftlich vereinbart, dass er sich völlig aus dem kirchlichen Geschehen zurückziehen wird. "Das ist so in der evangelischen Kirche, damit die Gemeinde während der sechsmonatigen Vakanz frei werden kann für den kommenden Pfarrer oder die Pfarrerin", so Reimers. Riedner wird nun Leiter des theologischen Prüfungsamtes.

Es war somit auch die letzte Predigt, für die Kirchenrat Riedner auf die Kanzel in der überfüllten Christuskirche gestiegen ist. "Bleibt fest in der brüderlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt", zitierte Riedner aus dem Brief an die Hebräer. "Ein festes Herz", gab er der Gemeinde mit auf den Weg, das Herz als Zentrum des Lebens und als Identität des Menschen. Es dürfe nicht weich sein wie ein Wackelpudding und nicht zu fest, weil es dann versteinere und erstarre. Das Herz als Symbol der Liebe, fröhlich, freundlich, gelassen, mitfühlend, herzlich, gütig - Riedner nannte einige für ihn wichtige Attribute.

Als Riedner vor elf Jahren nach Gauting kam, hatte er keinen Plan, wie er das Amt gestalten wolle, sagte Reimers in seiner humorigen Predigt und betonte, das sei die Selbsteinschätzung Riedners gewesen. Allerdings sei er zuvor mehrere Jahre um Gauting herum getänzelt: "Er war in Icking, dann in Starnberg und Weßling und hat wohl die ganze Zeit mit der Christuskirche geliebäugelt." Dann sei diese Gemeinde Heimat für ihn und seine Familie geworden. Was man auch daran erkennen kann, dass Riedner den Ort nicht verlässt. Er hat ein Haus in Gauting gefunden und wird nach München pendeln. Für die Examina wird er viel reisen müssen. Reimers ging auf die Christuskirche als kirchliches Zentrum im Ort ein, mit Gemeindehaus, Kindergarten, Jugendcafé und Raum für eine englischsprachige Gemeinde. Den Horizont zu erweitern, Bildungsarbeit zu leisten, seien ihm große Anliegen gewesen. Wenn ihm die Aufmerksamkeit nicht reichte, habe er noch eine Lichtinstallation errichten lassen, so Reimers schmunzelnd.

Auch die Ökumene wurde gepflegt. Beispielsweise nahm der katholische Kollege, Pfarrer Otto Gäng von Sankt Benedikt, an der Verabschiedung teil. Nach dem eineinhalbstündigen Gottesdienst konnten sich die Gautinger noch bei einem geselligen Zusammensein im Walter-Hildmann-Haus von ihrem "Herrn Pfarrer" verabschieden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3345440
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.01.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.