Süddeutsche Zeitung

Ludendorff-Villa in Tutzing:Der Schrein des völkischen Generals

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Das Landesamt für Denkmalpflege hat die Ludendorff-Villa in Tutzing unter Schutz gestellt - ein Anwesen, in dem eine rechtsextreme Glaubensgemeinschaft sitzt.

Gerhard Summer

Im Arbeitszimmer mit Kamin steht noch Erich Friedrich Wilhelm Ludendorffs Schreibtisch, ein Jahrhundertwende-Möbel. Daneben, auf einer Konsole, ein Abguss seiner Sterbemaske, ein Gästebuch und ein alter Globus, vermutlich aus den dreißiger Jahren. Eines der vielen Bildnisse zeigt den General mit seiner Frau Mathilde.

Die beiden diskutieren über Papieren, im Hintergrund ein fast nackter David nach Michelangelo. Burkhard Körner vom Landesamt für Denkmalpflege München findet ein Haus mit fast komplett erhaltener Ausstattung samt Archiv und persönlichem Nachlass vor, als er im Januar den Alterswohnsitz der Ludendorffs an der Mühlfeldstraße 2 in Tutzing besichtigt. Und er gelangt zu der Einsicht, dass der Villa "besondere geschichtliche Bedeutung" zukommt. Wenn auch das Gebäude selbst als "vergleichsweise normaler Bau der zwanziger und dreißiger Jahre" einzustufen sei. Ein "eingeschossiger Satteldachbau über winkelförmigem Grundriss mit Zwerchhäusern im Heimatstil", wie er notiert.

Das Landesamt hat das Anwesen inzwischen nachträglich in seine Liste aufgenommen. Damit steht nun ein Haus unter Denkmalschutz, das dem Verein Ludendorff Gedenkstätte gehört, als eine Art Schrein für einen Steigbügelhalter Hitlers dient und außerdem Sitz einer rechtsextremen Glaubensgemeinschaft ist: des Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.

Der ums Erleuchtung ringende Verein sieht seine Aufgabe darin, "die Erkenntnisse der Philosophin Mathilde Ludendorff zu pflegen und weltanschaulich suchenden Menschen zu übermitteln", heißt es auf seiner Homepage. Er steht nach wie vor unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, wie ein Sprecher des bayerischen Dienstes sagt, und werde als "rechtsextrem, antidemokratisch und antipluralistisch" eingestuft.

Die Zahl seiner Mitglieder hatte der Bund vor Jahren mit 12.000 angegeben; die Verfassungsschützer gehen lediglich "von ungefähr 200 bundesweit aus". Die Innenminister der Länder hatten die 1951 offiziell gegründete Organisation, zu deren Vorläufergruppen der Verein Deutschvolk gehörte, 1961 als verfassungsfeindlich verboten. 1977 musste das Verdikt wegen Verfahrensfehlern aufgehoben werden. Inzwischen trete der Verein "szenewirksam kaum in Erscheinung", so der Verfassungsschutz. Auf der Internetseite der Gruppierung sind für heuer zwölf Veranstaltungen angekündigt, darunter Sonnwendfeiern in Hohenlohe und Schleswig-Holstein. Und für Oktober ist eine "Hochschultagung" in Oberbayern geplant. Die Letzte dieser Art in Tutzing war im Oktober 2002 über die Bühne gegangen, und zwar an der Mühlfeldstraße.

Aus Sicht des Denkmalschützers Körner ist es allerdings "primär uninteressant, was in diesem Gebäude geschieht", wie er sagt. "Die Nutzung können wir nicht berücksichtigen, selbst wenn wir sie als komisch empfänden. Wir müssen nur schauen, welche Bedeutung gibt es dort?" Und am Rang der Tutzinger Villa sei nicht zu rütteln: "Man kann zu Ludendorff stehen, wie man mag, vielleicht wird er auch manchmal zu negativ betrachtet. Aber er ist eine wichtige historische Persönlichkeit, fast gleichzusetzen mit Hindenburg."

In seiner Bewertung resümiert Körner: "Aufgrund der Funktion des Anwesens als Alterswohnsitz Erich Ludendorffs, der Dichte an überlieferter Substanz und Ausstattung sowie als exemplarischer Vertreter der traditionellen Architektur im Heimatstil der 1920er und 30er Jahre erfüllt die Villa Ludendorff die geschichtliche und künstlerische Bedeutung nach Art. 1 DSchG."

Körner hatte das Landhaus auf Anregung des Kreisheimatpflegers Gerhard Schober besichtigt. Schober hatte dem Landesamt eine lange Ergänzungsliste mit Häusern vorgelegt. Denn in den siebziger Jahren, als das Landesamt in mehreren Wellen erhaltenswerte Häuser zu schützen begann, seien viele "Highlights" übersehen worden. Darunter Anwesen in Krailling, Stockdorf, Gauting und eben Tutzing. Schobers Meinung nach passt das Ludendorff-Landhaus "von den architektonischen Qualitäten her" auch ins Schema der Denkmalschützer. Es sei zwar "kein barockes Kunstwerk, aber ein guter Entwurf".

Das ursprüngliche Gelb der Fassaden ist stark angegraut. Zwei riesige Buchen flankieren die Eingangstür. Die Ludendorff-Eiche, die 1935 zum 70. Geburtstag des einstigen Reichstagsabgeordneten der Deutschvölkischen Freiheitspartei gepflanzt worden war, steht immer noch. Und das große, 1922 erbaute und 1932 erweiterte Haus mit weitläufigem Garten, dichten Hecken, Bäumen und geziegelter Mauer ringsum birgt laut Körner Schätze wie zwei große fünfarmige Leuchter aus Silber, angeblich ein Geschenk des Sultans von Istambul. Und es ist bewohnt. Wer klingelt, bekommt eine junge Frau zu Gesicht. Sie sei Mieterin, sagt sie, viel mehr ist ihr nicht zu entlocken. Zudem lebt in der Villa eine mindestens 90-jährige Frau, die ehemalige Haushälterin von Mathilde Ludendorff. Sie wirke schon sehr betagt, meint Körner.

Für den Historiker Schober ist dieses Landhaus ein Glücksfall - "ein Stück Geschichte mit der originalen Patina" samt originaler Dokumente. Und schon aus diesem Grund sollte sie vor dem Verfall bewahrt werden: "Damit in 50 Jahren keiner behaupten kann, Hitler habe es nicht gegeben, müssen die Spuren sichtbar bleiben, die Bausteine, die sich zum Hitlerwahn zusammenfügten." Die Sache sei doch die, sagt Schober und redet sich in Fahrt: "Geschichte ist Geschichte. Ich kann mir doch nicht nur König Ludwig II. raussuchen, ich muss auch mit Napoleon und den Kreuzzügen leben." Er sei mit Sicherheit kein Freund Ludendorffs. Und er sei zusammengezuckt, als ihn der Gedenkstätten-Verein vor zehn Jahren bekniet habe, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen. "Pfui Teufel", habe er sich damals gedacht. Inzwischen sei er anderer Ansicht.

Natürlich sehe er die Gefahr, dass sich der Denkmalschutz vom Haus auf die Inhalte verlagern könnte. Und falls der Gedenkstätten-Verein die Villa öffnen und zu Führungen einladen sollte, um das krude Gedankengut der Ludendorffs zu preisen, "würde ich die Augenbrauen hochziehen, dann müsste man was dagegen machen", sagt Schober. Andererseits interessiere sich momentan doch "kein Mensch für so ein Zeug". Und niemand rege sich darüber auf, dass das Grab des Generals auf dem Neuen Friedhof bereits seit 30 Jahren unter Denkmalschutz stehe. 1961 hatte der damalige Gemeinderat sogar eine Straße nach Ludendorff benennen wollen. Er ließ nach Protesten, unter anderem der Politischen Akademie Tutzing, von dem Ansinnen ab.

Bürgermeister Stephan Wanner hat jetzt schon die Augenbrauen weit oben. An die zehn Bürger hätten ihn angesprochen und gefragt, warum die Villa zum Denkmal erklärt worden ist - bei der "historischen Brisanz des ehemaligen Generals Ludendorff". Wanner hat deshalb einen Bürgermeisterbrief verfasst, der im Internet nachzulesen ist. Seine Konklusio: Der Schutz der Villa sei als Beitrag wider das Vergessen zu verstehen, als "Teil einer gelebten Erinnerungskultur". Der Rathauschef räumt aber ein: Der Gedenkstätten-Verein und der Bund für Gotterkenntnis "perpetuieren genau das Gegenteil von dem, was ich dahinter sehe."

Mit welchen Zuschüssen aus Steuergeldern der Verein rechnen kann, wenn er die Villa eines Tages sanieren sollte, ist unklar. Das Landesamt für Denkmalpflege spricht von "relativ geringen" Zuwendungen. Außerdem könne man den Aufwand steuerlich abschreiben. Was einer gemeinnützigen Organisation, die keinen Gewinn machen darf, aber nichts bringe. Ob der Gedenkstätten-Verein noch gemeinnützig ist, steht freilich dahin. Im Vereinsregister des Amtsgerichts München ist er nicht mehr eingetragen. Von den Vorsitzenden war keine Stellungnahme zu erhalten, genauso wenig wie vom Bund für Gotterkenntnis.

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Quelle:
SZ vom 18.06.2010
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