Süddeutsche Zeitung

Musiker-Nachwuchs im Landkreis Starnberg:Alte Geigen für junge Musikerinnen

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Josephine Kohlpaintner und Paula Thieme aus Berg und Starnberg dürfen nach ihren Wettbewerbssiegen bei "Jugend musiziert" zwei historische Instrumente der Stiftung Musikleben spielen.

Von Lisa Hamm, Starnberg/Berg

Wenn Josephine Kohlpaintner, 12, in ihrem Wohnzimmer in Berg den ersten Bogenstrich zieht, steigt ihre Hündin sofort mit freudigem Bellen ein. Kein Wunder, denn die historischen Geigen, die sie und ihre Mitstreiterin Paula Thieme, 13, nun für einige Jahre spielen dürfen, können durch ihren vollen Klang begeistern. Auch das Alter der Geigen ist beachtlich: Die beiden Schülerinnen aus Starnberg und Berg sind zusammen gerade mal 25, doch die zwei Geigen der Deutschen Stiftung Musikleben kommen auf stolze 283 Jahre, wenn man ihr Alter zusammenrechnet. Wer 2020 beim bundesweiten Wettbewerb "Jugend Musiziert" gewann, konnte sich wegen Corona ausnahmsweise schon auf Regionalebene für die wertvolle Leihgabe qualifizieren.

"Unsere Lehrerin hat uns gefragt: Welchen Preis wollt ihr denn? Und dann haben wir gesagt: Wir wollen den ersten Platz mit Weiterleitung", sagt Josephine, die zunächst Flöte und Klavier spielte und erst mit sieben Jahren zur Geige wechselte. Nach vielen Stunden des Übens wurde der Wunsch wahr: Die zwei jungen Musikerinnen erreichten im Februar 2020 zusammen mit zwei anderen Violinistinnen auf regionaler Ebene (Region München-Süd) den ersten Platz in ihrer Altersklasse - und bekamen so die Chance, eines der ehrwürdigen Leihinstrumente zu erhalten. Treibende Kraft war in diesem Fall ihre erfahrene Geigenlehrerin Beate Schad aus Berg, welche die Teilnahmen an den "Jugend musiziert"-Wettbewerben initiierte und begleitete.

Bei der Verleihung in Hamburg durften die Musikerinnen dann sechs verschiedene Geigen aus vergangenen Jahrhunderten probieren. Beate Schad legte Wert darauf, dass die Mädchen vorher nicht über deren Erbauer, vorherigen Besitzer oder den Wert des jeweiligen Instruments unterrichtet wurden. Es sollte für die beiden jungen Violinistinnen allein um Klang und Handhabung gehen, immerhin können sie die Instrumente bis zum 18. Lebensjahr spielen. Paula entschied sich für die Geige des Geigenbauers Peter Hammig, die er 1900 in Berlin baute, Josephine für die Geige von Claude-Augustin Miremont, 1869 in Paris gefertigt.

Ob das Design eine Rolle spielte? "Die Geige ist ein bisschen dunkler vom Holz, und da ich gerne dunkle Klamotten trage, passt sie da auch ganz gut", so Josephine.

Problematisch war für sie wohl eher die Auswahl des passenden Bogens. Ähnlich wie bei Harry Potter, der zu Beginn seiner magischen Ausbildung den richtigen Zauberstab bei Ollivanders sucht, war auch Josephine vom schieren Angebot an Bögen überwältigt: "Ich habe mindestens 80 Bögen bei Geigenbauern in München und Würzburg ausprobiert - denn sie müssen leicht sein und gut in der Hand liegen." Schlussendlich konnte sie aber den Bogen finden, der mit ihrer Geige harmoniert.

Wenn die Mädchen nun auf den Violinen spielen, kommen sie ein bisschen ins Schwärmen. "Sie klingt lauter und voller als meine alte Geige, vor allem auf der Bühne. Darauf zu spielen, ist schon eine Ehre", meint Paula. Doch Vorsicht ist geboten: "Ich habe manchmal ein bisschen Angst, dass die Geige runterfällt. Beim Autofahren dürfen wir die Geige auch nicht im Kofferraum transportieren, das steht im Vertrag." Und wenn jemand fragt, ob er die Geige ausleihen kann? "Da würde ich nein sagen", macht Josephine klar. Da die Instrumente einen hohen materiellen und ideellen Wert besitzen, legt sich Josephines Familie einen absperrbaren Schrank für die Aufbewahrung der Geige zu. Eine Musikerkarriere ist noch nicht primäres Ziel der Mädchen. Paula könnte sich auch vorstellen, Lehrerin oder Innenarchitektin zu werden - ein Traum wäre aber auch, in der Elbphilharmonie zu spielen, am liebsten als Solistin. 2021 steht nun erst mal der nächste "Jugend musiziert"-Wettbewerb an - diesmal treten die beiden gegeneinander an, jeweils mit Klavierbegleitung. Konkurrenz gibt es kaum: "Es kann auch mehrere erste Preise geben", so Paula. Doch durch Corona werden die Vorbereitungen in die Länge gezogen: "Wir bereiten uns seit vergangenem Sommer auf den diesjährigen Wettbewerb vor, jetzt wurde er leider wieder um drei Monate auf Mai verschoben", sagt Josephine, die eigentlich gerade an der Méditation aus der Oper "Thaïs" von Jules Massenet feilt.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2021
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