Süddeutsche Zeitung

Kriminelle Geschichte:Kunstgenuss in der Mordvilla

Lesezeit: 3 min

Vor gut 70 Jahren hat sich in der Villa de Osa ein Kapitalverbrechen ereignet, viele Besucher besichtigen die Ausstellung "Von A bis Z" nicht allein wegen des Kunstgenusses, sondern auch wegen der besonderen Aura des Hauses am Ufer des Starnberger Sees.

Von Sabine Bader, Berg

Es ist der 10. auf den 11. September 1951: In dieser Nacht geschehen in der Villa de Osa in Kempfenhausen drei spektakuläre Morde. Mit einem Beil tötet der Hausmeister die ganze Eigentümerfamilie und erhängt sich danach selbst im Wald bei Farchach. Auslöser für die Gräueltat: Die Eigentümerin hatte ihn zur Rede gestellt, weil er ein Verhältnis mit seiner Stieftochter angefangen hatte. Die Morde geschahen im Schlafzimmer im ersten Stock des Hauses und wurden erst nach Tagen entdeckt. Auch die Leiche des Hausmeisters fand man erst Tage später im Wald.

Die spektakulären Taten liegen mehr als 70 Jahre zurück. Dass sie in der Villa de Osa geschahen, ist trotz der langen Zeit noch vielen Leuten im Gedächtnis. Kein Wunder also, dass die vier Kuratoren der Ausstellung "Von A bis Z" an den vergangenen Wochenenden diverse Male die Frage gestellt bekamen: "Wissen Sie, in welchem Raum die Morde passiert sind?" Klar, wissen sie es. Andreas Ammer, Katja Sebald, Elke Link und Jörn Kachelriess geben bereitwillig Auskunft. Für diesen besonderen Raum haben die Kuratoren sogar eigens ein großformatiges Werk mit kräftigen Rottönen von Bernd Zimmer als dominierendes Gemälde ausgewählt.

Die meisten Ausstellungsbesucher - an zwei Wochenenden waren es bislang immerhin mehr als 1000 - kommen natürlich nicht nur wegen der Morde. Sie kommen vor allem, weil sie die Werke der Künstler Herbert Achternbusch und Bernd Zimmer sehen wollen und es spannend finden, beide Künstler in einer gemeinsamen Ausstellung bewundern zu können. Die meist großformatigen, farbstarken Werke von Zimmer, der in jüngster Zeit viel durch sein Stelen-Projekt STOA169 in Polling im Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau von sich reden gemacht hat, treten mit denen von Herbert Achternbusch in Dialog. Achternbusch war im Januar dieses Jahres gestorben, hat einen Teil seines Lebens in Ambach verbracht und durch Bilder und Filmprojekte Skandale ausgelöst. Insgesamt 65 Werke der beiden Künstler sind jetzt in der Villa de Osa zu bewundern.

Eine Menge Besucher kamen bislang aber auch, weil sie eine persönliche Bindung zu dem historischen Gebäude haben, etwa lange Zeit darin tagtäglich ein- und ausgegangen sind, sei es in der Klinik von Valentin Argirov, dem Leibarzt des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, die Argirov 1980 erwarb, oder später in der darauf folgenden Schön Klinik. Gerade ältere Krankenschwestern, die dort bis zur Schließung des anerkannten Hauses 2016 beschäftigt waren, hätten ihnen sehr anrührende Geschichten erzählt, berichtet Katja Sebald.

Erst Argirov-Klinik, dann Schön Klinik - und künftig Luxuswohnungen am See

Die Kulturhistorikerin hat sich eingehend mit der Villa beschäftigt, die sich Augusta de Osa, die Witwe des kolumbianischen Botschafters in Paris, 1909 von Ernst Haiger am Ostufer des Starnberger Sees erbauen ließ. Die gebürtige Hamburgerin muss ihre bayerische Wahlheimat und ihr herrschaftliches Anwesen auch sehr geschätzt haben: Zumindest lebte sie hier bis zu ihrem Tod im Jahr 1944.

Die Geschichte des Hauses in den darauffolgenden Jahren könnte wechselvoller kaum sein. Nachdem zunächst die Wehrmacht in den letzten Kriegsmonaten die Villa beschlagnahmt hatte, erhielt das Gebäude einen grünen Tarnanstrich und diente kurz darauf einem Stab des Generalkommandos, der in München ausgebombt worden war, als Hauptquartier, weiß Sebald. In das herrschaftliche Anwesen seien dann im Mai 1945 US-amerikanische Soldaten eingezogen und hätten im Park ihre Mannschaftszelte aufgeschlagen. Anschließend wurden in der Villa Flüchtlinge einquartiert. Das Anwesen diente also höchst unterschiedlichen Personengruppen als Zufluchtsort. In welchem Zustand das Gebäude war, als der Erbe Fritz de Osa es schließlich 1950 wieder übernehmen konnte, ist nicht überliefert. Es ist jedoch anzunehmen, dass etliches an Renovierungsarbeit zu leisten war, bis er mit seiner Frau Marietta und Tochter Jutta dort einziehen konnte.

Von der Aura des historischen Gebäudes im Zusammenspiel mit den Werken der beiden Künstler Achternbusch und Zimmer können sich die Besucher noch am kommenden Wochenende selbst ein Bild machen. Am Freitag, Samstag und Sonntag, 1. bis 3. Juli, kann die Ausstellung "Von A bis Z" letztmalig von 14 bis 19 Uhr im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Gemeinde Berg besucht werden, ehe auf dem ehemaligen Klinikgelände eine Eigentumswohnanlage errichtet und auch die denkmalgeschützte Villa de Osa als privater Wohnsitz genutzt wird.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5611932
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.