Süddeutsche Zeitung

Kunstprojekt:Wieder aufgetaucht

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Die Kiste hat schon Rost angesetzt, in der vor einigen Tagen zwanzig Werke und Kulturangebote im Starnberger See versenkt wurden, um die Künstler zu unterstützen. Bei der Bergung konnten sich Macher und Käufer begegnen

Von Katja Sebald, Starnberg

Eine Woche lang fanden die Begegnungen zwischen den Künstlern und den Käufern ihrer Werke nur im Internet statt, die Kunst selbst lag in dieser Zeit vor der Starnberger Seepromenade auf dem Seegrund, fest eingeschweißt in eine Stahlkiste. Am Mittwochnachmittag war es dann so weit: Die wegen Corona ins Wasser gefallene Kunst wurde gehoben und die teilnehmenden Künstler trafen ihr Publikum - im echten Leben, im Freien, mit Abstand und mit Anmeldung. Die Aktion "Ins Wasser gefallen" ist eine Kooperation der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung in der Region Starnberg (GWT), der Stadt Starnberg und des Designbüros Gesine Dorschner.

"Die Corona-Pandemie hat das kulturelle Leben praktisch auf null gesetzt und extrem starke Auswirkungen auf die Branche", sagt Daniela Tewes, Regionalmanagerin in Sachen Kultur und Kreativwirtschaft bei der GWT. Deshalb organisierte sie mit Petra Brüderl vom städtischen Kulturamt die Aktion "Ins Wasser gefallen": Mit viel Spektakel wurden Ende Juli zwanzig Kunstwerke und Kulturangebote in eine große Kiste gepackt und im See versenkt. Mit ebenso großem Spektakel tauchten sie nun wieder auf. "Wir begleiten die Künstler mit der Aktion symbolisch durch diese schwere Zeit", sagte Landrat Stefan Frey bei der Veranstaltung an der Seepromenade. Landkreis und Stadt haben die "Kunstschatzkiste", die nach der Woche im See bereits Rost angesetzt hat, angekauft. Sie soll zukünftig im Museum Starnberger See ausgestellt werden.

Die erste Käuferin auf der Plattform war am vergangenen Mittwoch Schamiem Stumpfe: Die Kieferorthopädin sammelt internationale Street Art, die sie in ihrer Praxis in Percha ausstellt. Ihr Mann hatte über die sozialen Medien von der Aktion erfahren, daraufhin kaufte sie gleich in den ersten Minuten die beiden Kunstdrucke "O'zapft is" der Herrschinger Künstlerin Monika Roll. "Etwas Bayerisches hatte ich bis jetzt noch nicht", erklärt sie. Die Bilder, die zwei Kinder in Tracht mit Breze und Lebenkuchenherz zeigen, sind für Stumpfe gleichzeitig ein Zeitdokument, weil sie für die "ins Wasser gefallene" Wiesn des Jahres 2020 stehen: "Genau diese Aktualität ist es doch, die Street Art ausmacht", sagt sie. Monika Roll, die mit der Gruppe "Künstler aus dem Einbauschrank" in diesem Sommer eigentlich eine große Ausstellung in Herrsching geplant hatte, freut sich besonders über die fachkundige Käuferin. Noch vor der Übergabe des Kunstwerks verhandelten die beiden über eine Ausstellung in den Praxisräumen.

Die Grüne-Kreisrätin Martina Neubauer hatte ein signiertes Album und zwei VIP-Tickets für ein Konzert der Band Jamaram gekauft: "Schließlich hat Jamaram auf meinen Vorschlag hin 2019 den Kulturpreis des Landkreises bekommen", sagte sie bei der Übergabe des Fanpakets. Grundsätzlich finde sie die Aktion großartig, schon allein deshalb habe sie etwas gekauft. Viele Vorschläge für den Konzertbesuch konnte ihr Jamaram freilich noch nicht machen: Der vorerst einzige Termin ist am 14. August in Burghausen. Nicht nur das zwanzigjährige Bandjubiläum sei ins Wasser gefallen, berichtet Samy Danger alias Sam Hopf, der als Vertreter der Band nach Starnberg gekommen war: "Normalerweise haben wir um diese Jahreszeit zwischen vierzig und fünfzig Shows auf dem Tacho - 2020 waren es bislang zwei." Samy Danger, Hauptkomponist und Sänger, ist ebenfalls begeistert von der Aktion: "Alles hilft. Was nicht hilft, ist Nichtstun." Besser als abwarten ist für ihn auch, auf der Straße Musik zu machen: "Ich spiele zur Zeit auf Hut."

Auch der Cartoonist Peter Gaymann, der seit drei Jahren in Schäftlarn lebt, traf in Starnberg den Käufer seines Kunstpakets: Wolfgang Hättich aus Tutzing durfte Gaymanns neues Buch "Typisch Bayerisch" mit nach Hause nehmen, außerdem wird er ihn in seinem Atelier besuchen. "Eigentlich sollte es zu meinem 70. Geburtstag eine große Retrospektive im Buchheim-Museum geben, jetzt ist daraus eine deutlich kleinere Ausstellung mit Corona-Cartoons geworden", sagt Gaymann.

Auch sein neues Buch "Typisch Bayerisch", in dem er seine neue Heimat unter die Lupe nimmt, sei wegen der Corona-Pandemie völlig untergegangen. Hättich erfuhr aus der Süddeutschen Zeitung von der Aktion und setzte sich sofort an den Computer. Dass es das Buch von Gaymann sein muss, war für ihn und seine Familie von Anfang an klar: "Wir sind alle Hühnerfans!" Aber auch sonst werden sich der Hühnerzeichner und der Hühnerfan viel zu sagen haben: Beide sind gebürtige Freiburger.

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SZ vom 07.08.2020
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